Unterbringung:Vom Asylbewerber zum Obdachlosen

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Wohnwagenburg mit afghanischer Flagge in Höhenkirchen. (Foto: dpa)

Rund 2500 anerkannte Flüchtlinge in der Region leben weiter in Gemeinschaftsunterkünften, weil sie keine Wohnungen finden

Fehlbeleger - so nennt das Verwaltungsdeutsch die anerkannten Flüchtlinge, die trotzdem weiter in den Asylbewerberunterkünften leben, weil sie keine eigene Bleibe finden. In der Stadt und in der Region München, wo Wohnraum knapp und teuer ist, trifft das derzeit auf etwa 2500 Menschen zu. Die Gemeinden, die sich eigentlich um die Unterbringung kümmern und diese auch bezahlen müssen, fühlen sich von der Politik im Stich gelassen, suchen aber doch nach Wegen, das Problem zu lösen. Denn es ist klar, dass in den kommenden Monaten noch viel mehr geflüchtete Menschen ein Bleiberecht erhalten werden. Der Landkreis München zum Beispiel erwartet, dass die Zahl der momentan 450 Fehlbeleger bis Ende 2016 um das Fünffache auf 2500 ansteigen wird.

In der Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn gibt es seit 14 Jahren eine Gemeinschaftsunterkunft für bis zu 150 Asylbewerber. Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) schlug schon früh Alarm, was die Unterbringung derer betrifft, die ein Bleiberecht erhalten und damit die Gemeinschaftsunterkünfte verlassen müssen. Das werde auch anderen Kommunen so gehen, prophezeite sie. In ihrer Gemeinde wurde improvisiert, indem man gebrauchte Wohnwägen kaufte und ein kleines Dorf errichtete, in dem - neben anderen Menschen ohne Obdach - auch anerkannte Flüchtlinge leben. Derzeit sind das zehn Bewohner, für sie gibt es aber die Zusage, dass sie bald in eines der sogenannten Feel-Home-Häuser umziehen können, die der Landkreis gerade baut.

Anderswo bleiben die anerkannten Flüchtlinge meist in den Gemeinschaftsunterkünften. Das wird problematisch, wenn Familienangehörige nachkommen, denen der Zutritt zur Unterkunft nicht erlaubt ist. In Hebertshausen im Landkreis Dachau zum Beispiel will deshalb der Vater einer syrischen Familie, die demnächst auf sechs Personen wächst, sogar seinen Job aufgeben, um eine Wohnung zu suchen. Er habe versucht, den Mann von diesem Plan abzubringen, berichtet Peter Barth vom örtlichen Helferkreis, "ohne Erfolg". Die Wartelisten für Sozialwohnungen sind nicht nur im Landkreis Dachau lang. Deshalb hat im Kreis Starnberg der Verband Wohnen, dem fast alle Kreiskommunen angehören, sein Wohnbauprogramm erweitert. Doch die zusätzlichen Bauten sind erst in Planung, den Bedarf aber gibt es schon jetzt. Die Stadt Starnberg hat deshalb vom Landkreis einen Teil einer Aylbewerberunterkunft angemietet, um dort ihre "Anerkannten" unterzubringen. An diesem Modell zeigen auch andere Kommunen Interesse, denn in vielen der auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszustroms gebauten Quartiere sind derzeit Plätze frei.

"Wenn wir Wohnraum schaffen, muss auch sicher sein, dass der genutzt wird", fordert Freisings Landrat Josef Hauner (CSU). Er ist für die derzeit von der Bundesregierung diskutierte Wohnsitzauflage, die vorsieht, Flüchtlingen einen dreijährigen Verweil an einem Ort vorzuschreiben. Spezielle Projekte für die derzeit etwa 220 Fehlbeleger im Landkreis Freising gibt es allerdings nicht, man duldet sie in den unterbelegten Gemeinschaftsunterkünften.

Im Landkreis Ebersberg hat man Vorsorge getroffen für den Fall, dass die Unterbringung der Anerkannten in Gemeinschaftsunterkünften untersagt wird. Landrat und Bürgermeister haben sich auf einen Verteilungsschlüssel der anerkannten Flüchtlinge nach der Einwohnerzahl der einzelnen Gemeinden geeinigt. Frustration rief zuletzt die Maßnahme der Regierung hervor, dass auch Fehlbeleger in Traglufthallen umziehen sollen, weil dort wieder Plätze frei werden. Ehrenamtliche Helfer aus Kirchseeon holten einen Teil ihrer Schützlinge, die bereits aus der dortigen Turnhalle in die Plieninger Traglufthalle umgesiedelt waren, wieder zurück. Ihnen war es gelungen, doch noch freien Wohnraum zu finden. Diese behördlich veranlassten Umzüge von einer Gemeinschaftsunterkunft in eine andere haben auch im Landkreis Erding Unmut erregt. So soll etwa eine Flüchtlingsfamilie, die seit drei Jahren in einer Wohnung in Erding lebt, in den winzigen Ort Thann weit draußen auf dem Land umziehen.

Das Landratsamt Fürstenfeldbruck verschickt zwar an jeden der Fehlbeleger - im Moment etwa 320 - eine Auszugsaufforderung, dabei aber belässt man es. Sollte sich die Gesetzeslage ändern und dies nicht mehr erlaubt sein, hat Landrat Thomas Karmasin (CSU) vorgeschlagen, die Quartiere, in denen die anerkannten Flüchtlinge schon jetzt leben, in reguläre Unterkünfte umzuwandeln - in Obdachlosenunterkünfte der Gemeinde zum Beispiel.

Rund 400 Fehlbeleger verzeichnete die Stadt München Ende Mai. Generell versuche man, für die anerkannten Flüchtlinge Wohnraum auf dem freien Markt zu finden, sagt Ottmar Schader, Pressesprecher im Sozialreferat. "Wir haben aber einen sehr knappen Wohnungsmarkt", erklärt Schader, deshalb greife das Programm zur Wohnungslosenunterbringung der Stadt. Dies könne aber nur eine "Übergangslösung sein". Die Stadt will deshalb selbst verstärkt neuen Wohnraum schaffen oder anmieten. Der könne eventuell auch durch eine Umwidmung der jetzigen Gemeinschaftsunterkünfte entstehen, sagt Schader. Das Sozialreferat geht davon aus, dass mit Familiennachzug Ende des Jahres etwa 3000 Fehlbeleger in München leben werden.

© SZ vom 05.07.2016 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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