Ungewöhnlicher Mordfall:Leichensuche im Schnee

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Ein Münchner Student soll vor sechs Jahren in Haar von seiner Freundin ermordet worden sein. Jetzt sitzen die 31-Jährige und ihr neuer Lebensgefährte in Haft. Beide sagten den Beamten, wo der Tote verscharrt war

Von Stefan Simon und Susi Wimmer, Haar

Die Pfosten am Gartentor sind giftgrün gestrichen, daneben rankt sich die Thujenhecke. Auf das kleine Häuschen läuft ein Fußweg zu, gesäumt von romantischen Rosengitterbögen und Obstbäumen. Doch die Idylle in dem schmucken Garten in Haar trügt. Hier, an der Zunftstraße, hat die Polizei am Mittwochnachmittag einen zugeschnürten Plastiksack gefunden, darin könnte sich die Leiche eines 2010 verschwunden Münchner Studenten befinden. Er soll vor etwa fünf Jahren hier gewohnt haben und ermordet worden sein. Dringend tatverdächtig ist seine ehemalige Freundin, eine heute 31-jährige Studentin, der das Einfamilienhaus gehört. Sie und ihr neuer Lebensgefährte sollen die Leiche hinter dem Gebäude vergraben haben.

Mord verjährt nie, pflegen Kriminaler für gewöhnlich gerne zu betonen. Und so steht die Münchner Mordkommission gerade davor, einen Mord aus dem Jahr 2010 zu klären, von dem sie bis dato gar nichts gewusst hatte. Anfang des Jahres erhielten die Ermittler einen Hinweis auf ein Gewaltverbrechen, näher will sich die Polizei dazu nicht äußern. Der Tipp führte sie zu dem Häuschen in Haar. Hier sollen ein Münchner Literatur- und Japanologiestudent, Jahrgang 1980, und die heute 31 Jahre alte Pädagogikstudentin von 2008 bis 2010 gemeinsam als Paar gelebt haben. Die Frau hatte das Haus mit dem weitläufigen Garten von ihren Großeltern geerbt. Offenbar waren andere Zimmer auch noch untervermietet an Studenten. Doch Anfang 2010 war der Student plötzlich spurlos verschwunden. Die Eltern konnten ihren Sohn nicht mehr erreichen, sagt Markus Kraus, Leiter der Mordkommission.

Die Polizei geht davon aus, dass es um diese Zeit zwischen dem Paar einen heftigen Streit gegeben haben muss. Und dass die Frau den Studenten "überfallartig angegriffen" habe und das Opfer arglos gewesen sein dürfte, sagt Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch. Die Leiche soll die Frau anschließend "einige Zeit lang" im Haus versteckt haben. Mittlerweile hatte die mutmaßliche Mörderin einen neuen Lebensgefährten, der in das Häuschen mit eingezogen war. Er soll irgendwann dabei geholfen haben, die Leiche im Garten zu vergraben. Der heute 33-jährige Hausmann sei wohl an der Tötung nicht beteiligt gewesen, so Steinkraus-Koch.

Das Paar sitzt nun in Untersuchungshaft, der Ermittlungsrichter erließ Haftbefehl. Der Haarerin wird Mord aus Heimtücke vorgeworfen, ihrem Freund Strafvereitelung. Nach entsprechenden Belehrungen sollen sie sich mehr oder weniger zur Tat geäußert haben. Laut Kraus habe die Frau einen Streit mit ihrem damaligen Lebensgefährten eingeräumt. Getrennt voneinander befragt, verwiesen beide auf die Stelle, wo sie den Leichnam vergraben hatten. Ein Leichensuchhund der Polizei schlug auf dem Grundstück an. Mittwochfrüh um 6 Uhr begannen Kräfte der Technischen Einsatzgruppe der Bereitschaftspolizei sowie die Tatortgruppe des Bundeskriminalamtes mit vorsichtigen Grabungen im hintersten Teil des Gartens. Schicht für Schicht wurde die Erde abgetragen, um mögliche Spuren nicht zu vernichten.

Das Medienaufgebot vor dem Haus in dem gutbürgerlichen Viertel von Haar ist enorm. Eine Plane schirmt die Grabungsstätte ab, die Nachbarn registrieren das große Polizeiaufgebot mit Erstaunen. Eine Frau kommt gerade aus der benachbarten Tiefgarage und stutzt. Ein Mord soll sich hier ereignet haben? "Ja", sagt sie, "ich kenne die Hausbesitzerin. Aber da wohnen immer lauter junge Leute, das ist nicht dieselbe Wellenlänge." Dann dreht sie sich um und verschwindet ganz schnell.

Am heutigen Donnerstag soll in der Rechtsmedizin der Sack näher untersucht werden. Die Polizei geht davon aus, dass sich darin Leichenteile befinden. Erst dann werden die Eltern des seit 2010 verschwundenen Studenten wissen, ob es sich um die sterblichen Überreste ihres Adoptivsohnes handelt. Sie hatten damals vergeblich nach dem 20-Jährigen gesucht, sogar einen Privatdetektiv beauftragt und sich an die Polizei gewandt.

Eine Vermisstenanzeige habe es nie gegeben, sagt Mordkommissionsleiter Markus Kraus. Schließlich sei der verschwundene Mann erwachsen gewesen, ein Verbrechen habe damals nicht im Raum gestanden. Der Münchner solle "eine neue Partnerschaft mit einer Dame aus Rumänien gehabt haben und eventuell dorthin gezogen sein", sagt Kraus. Ob die mutmaßliche Mörderin die Geschichte den Eltern aufgetischt hatte, dazu wollte sich Kraus nicht äußern. Die Kripo sucht nun nach ehemaligen WG-Partnern, die in der Zeit von 2008 bis 2010 an der Zunftstraße in Haar gewohnt haben.

© SZ vom 21.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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