Im vergangenen Jahr sind 19 Menschen bei Unfällen auf den Straßen in Stadt und Landkreis München gestorben. Das sind immer noch 19 Tote zu viel, wie Polizeivizepräsident Werner Feiler am Freitag bei der Vorstellung der Unfallstatistik für 2016 sagte - aber es ist doch die niedrigste Zahl an Verkehrstoten, seit in München darüber Buch geführt wird. Zum Vergleich: 1979, als es im Präsidiumsbereich 600 000 Kraftfahrzeuge gab (heute sind es fast doppelt so viele), starben ebenfalls 19 Menschen im Straßenverkehr - jeden Monat.
Seither hat sich viel verändert. Gurtpflicht, Airbag, bessere Notfallmedizin. Gleich geblieben ist aber die Unvernunft mancher Verkehrsteilnehmer. Ein Motorradfahrer, der am Donnerstag, 24 Stunden vor der Präsentation der Unfallstatistik aus dem Verkehr gezogen wurde, demonstrierte gleich zwei der häufigsten Ursachen von schwersten oder tödlichen Unfällen auf einmal: Raserei und Alkohol. 0,7 Promille hatte der 47-Jährige, als er mit 122 Sachen auf dem Wintrichring gestoppt wurde. Erlaubt sind dort 60 Stundenkilometer. Vor allem der Raserei hat die Münchner Polizei verstärkt den Kampf angesagt, aus gutem Grund. 523 Unfälle passierten, weil die Fahrer zu sehr aufs Gas drückten. Das ist ein Anstieg um mehr als 21 Prozent. Sieben der 19 Verkehrstoten waren vergangenes Jahr Opfer von Rasern.
"Wir werden weiterhin verstärkt Geschwindigkeitskontrollen durchführen", betonte Feiler. Dabei werde man sich auch nicht auf Unfallschwerpunkte beschränken, sagte Bauer. Es gehe darum, generell das Fahrverhalten zu ändern. Für erwischte Raser wie den 47-Jährigen vom Wintrichring hat das spürbare Konsequenzen. 2864 Fahrverbote wurden im vergangenen Jahr verhängt. Bei mobilen Geschwindigkeitskontrollen zeigt sich, dass sich etwa jeder 40. Auto- oder Motorradfahrer nicht an die Vorgaben hält. Besser stellen sich Raser offenbar auf die fest installierten Blitzer am Mittleren Ring ein - die Beanstandungsquote liegt hier unter einem Prozent. Wo Blitzer jedoch neu aufgestellt wurden, drücken viele sorglos aufs Gas: Auf der Landshuter Allee wurden seit Juli knapp 25 000 Temposünder ertappt, in den Kiesselbach-Tunnels seit April mehr als 90 000. Den zweifelhaften Titel des verantwortungslosesten Rasers verdiente sich ein Autofahrer, der im August in der Murnauer Straße mit sage und schreibe 163 Stundenkilometern geblitzt wurde. In solchen Fällen überprüft die Führerscheinbehörde grundsätzlich die Fahreignung.
Alle neun Minuten ereignet sich in Stadt und Landkreis München ein Verkehrsunfall, alle neun Stunden ein Unfall, an dem Fußgänger beteiligt sind, alle neun Tage ein Crash, der auf illegale Drogen zurückzuführen ist. Unfälle unter Alkoholeinfluss gibt es dagegen rund einmal am Tag. Das ist immerhin ein Rückgang um 12,4 Prozent. Dagegen gibt es eine immer relevanter werdende neue Unfallursache - die Ablenkung von Verkehrsteilnehmern durch Smartphone, Auto-Elektronik oder Kopfhörermusik. "Studien zufolge spielt bei rund einem Drittel der Verkehrsunfälle Unaufmerksamkeit eine Rolle", sagte Feiler am Freitag. Die Polizei ahndete im vergangenen Jahr 13 549 Verstöße gegen das Handyverbot.
Vier tödliche Unfälle gab es, weil Fußgänger, Radfahrer oder Inline-Skater von rechts abbiegenden Lastwagen erfasst wurden, deren Fahrer sie trotz der sechs inzwischen vorgeschriebenen Außenspiegel im "Toten Winkel" nicht gesehen hatten. Ebenso wie der Fahrradklub ADFC plädiert die Münchner Polizei deshalb für die gesetzlich vorgeschriebene Einführung von technischen Assistenzsystemen in Lkw. Die Zahl der getöteten oder verletzten "ungeschützten Verkehrsteilnehmer" könne so verringert werden, sind sich Experten wie Polizeidirektor Dieter Bauer, Leiter der Verkehrsabteilung im Polizeipräsidium, sicher. Insgesamt starben vergangenes Jahr neun Fußgänger, vier Rad- und vier Autofahrer sowie zwei Motorradfahrer im Straßenverkehr. Neun der 19 Verkehrstoten waren Senioren über 65 Jahren.