Und jetzt?:Biologie beim Joggen

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Forscher Frank Glaw findet Anzeichen für den Klimawandel

Interview von Martina Scherf, München

Der vergangene Monat war der wärmste November in Deutschland seit Beginn regelmäßiger Aufzeichnungen im Jahre 1881. Das hat nicht nur viele Menschen dazu verleitet, die Sonne im Freien zu genießen. Auch Tiere, die sonst längst im Winterschlaf oder erfroren wären, waren noch aktiv. Der Biologe Frank Glaw von der Zoologischen Staatssammlung hat in diesem Jahr eine besondere Beobachtung gemacht: Bis Mitte November fand er die ursprünglich aus Afrika stammenden Gottesanbeterinnen in München.

SZ: Gottesanbeterinnen in München, das ist an sich ungewöhnlich, oder?

Glaw: Sie haben sich schon in den vergangenen Jahren in Deutschland immer weiter ausgebreitet, weil es so warm war. In München haben wir sie 2009 das erste Mal entdeckt. Aber dass ich sie noch am 18. November beobachten konnte, das ist schon ungewöhnlich.

Wie kommen diese Tiere überhaupt nach Deutschland?

Das ist ganz unterschiedlich. In Baden-Württemberg sind sie schon lange heimisch, aber in München wurden sie mit Sicherheit eingeschleppt. Sei es mit importierten Waren. Oder weil jemand meinte, die hiesige Fauna durch etwas Exotisches bereichern zu müssen. Das ist zwar verboten, kommt aber immer wieder vor. Gottesanbeterinnen sind ja schöne Tiere, groß und markant. Die meisten eingeschleppten Arten haben bei uns aber keine Überlebenschancen. Wenn es allerdings immer wärmer wird, können sich die Populationen vermehren.

Also ist ihr Auftreten ein Zeichen des Klimawandels?

Vielleicht. Auf jeden Fall haben manche Tiere Vorteile von den steigenden Temperaturen. Man findet sie auch häufiger in städtischen Lebensräumen, weil es dort noch einmal wärmer ist als auf dem freien Feld.

Erforschen Sie die Gottesanbeterinnen oder haben Sie sie zufällig entdeckt?

Das war Zufall. Auf meiner Joggingstrecke gibt es ein paar interessante und artenreiche Stellen. Dort schaue ich dann öfter nach. Mein Fachgebiet ist ja die Herpetologie, also Amphibien und Reptilien. Aber als Zoologe ist man an allen Tieren interessiert.

Gottesanbeterinnen sind harmlose Wesen, oder? Was fressen sie denn?

Für uns Menschen sind sie harmlos. Aber für Insekten sind sie grausame Raubtiere. Sie packen ihre Beute und fressen sie bei lebendigem Leib genüsslich Stück für Stück auf. Das ist wirklich nicht nett anzuschauen. Übrigens fressen hungrige Weibchen auch gerne mal nach der Paarung ihre Männchen und verschaffen sich damit einen evolutionären Vorteil: Die Energie des männlichen Körpers verhilft ihnen zu mehr Nachwuchs und gibt diesem eine bessere Überlebenschance. Sie haben ja nur ein kleines Zeitfenster, um sich zu vermehren.

Weil sie sterben, sobald der Frost kommt?

Ja, genau. Die Larven schlüpfen im Frühjahr, sie werden im August erwachsen und müssen sich schnell paaren. Dann legen die Weibchen ihre Eier, die in Kokons überwintern. Die Eltern erfrieren normalerweise schon im Oktober, wenn es kalt wird, lange bevor sie an Altersschwäche sterben würden. Aber es genügt auch schon ein einziger kühler und nasser Sommer, dann werden sie vor dem Einbruch des Winters gar nicht erwachsen und sterben, ohne sich fortpflanzen zu können. Dann ist eine ganze Population schnell wieder weg.

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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