Und jetzt?:Beats für Babys

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Am Sonntag soll gefeiert werden, sagt Saskia Dürr. Im Technikum auf dem Werksgelände am Ostbahnhof finden zwei Babykonzerte statt. (Foto: Jakob Berr)

Saskia Dürr veranstaltet Münchens erste Eltern-Kind-Disco

Interview von Sara Peschke, München

Für routinierte Club-Gänger klingt das Angebot vermutlich wenig verlockend: kinderfreundliche Lautstärke, augenfreundliche Disco-Beleuchtung, dazu werden Mitmachlieder aufgelegt. Veranstalterin Saskia Dürr hofft hingegen, dass die Begeisterung "direkt in die Tanzbeine" geht. Sie veranstaltet am Sonntag, 2. Juli, von 17 bis 19 Uhr die erste Eltern-Kind-Disco in München. Warum eigentlich?

SZ: Frau Dürr, sind Sie früher mit Ihren Eltern in die Disco gegangen?

Saskia Dürr: So etwas für Eltern und kleine Kinder zusammen gab's damals noch nicht, aber wir haben klassische Konzerte besucht und viel zu Hause gesungen und getanzt.

Und wie sind Sie dann auf die Idee gekommen, dass es Kindern Spaß machen könnte, gemeinsam mit ihren Eltern in die Disco zu gehen?

Weil die ganze Familie zusammen tanzen soll. Es stört mich, dass in Deutschland alle Generationen immer nur in Altersgruppen ausgehen: Die Teenager gehen in den einen Club, die Zwanzigjährigen in den anderen und Ü-30er wieder woanders hin. Es fehlt die Gemeinsamkeit, darum geht's mir.

Aber ist die Disco nicht eben auch ein Ort, an den sich Eltern mithilfe eines Babysitters retten, um vom Kinder-Alltag abschalten zu können? Und an dem später die Jugendlichen ihre Ruhe vor den Eltern haben wollen?

Aber nicht, wenn sie so klein sind, und meine Disco richtet sich ja an Vier- bis Zehnjährige. Die tanzen noch gerne mit den Eltern. Wir fangen sonntagabends um 17 Uhr an, um Punkt 19 Uhr ist Schluss. Da kann man vorher einen Ausflug machen, danach ist eh Bettgehzeit. Wenn die Kinder dann müdegetanzt und glücklich ins Bett fallen, freuen sich die Eltern über einen entspannten Abend. So können sie sich auch vom Alltag erholen.

Das Freizeitangebot für Kinder ist groß, viele schimpfen: zu groß. Musikalische Früherziehung, Ballettstunde, Chinesischkurs für Kleinkinder - hat eine Disco da wirklich noch gefehlt?

Das Problem ist doch, dass schon im Kleinkindalter immer mehr Leistung gefragt ist. Eltern haben das Gefühl, dass sie ihre Kinder ständig in ihrer Entwicklung fördern müssen, sonst sind sie schlechte Eltern. Selbst das Wochenende wird oft danach durchgeplant, ob man es gut auf Facebook posten und mit seiner Kreativität Eindruck bei Bekannten schinden kann. Genau davon sollen sich die Familien in meiner Disco lösen. Es ist nicht wichtig, ob jemand besonders schön tanzt oder beim Mitsingen alle Töne trifft. Die Eltern und Kinder sollen einfach alles um sich vergessen, sie dürfen rumzappeln, wie sie wollen. Das können sie zu Hause oft nicht.

Warum nicht?

Weil sich die Eltern nicht trauen - es könnten sich ja die Nachbarn beschweren. Oft ist auch zu wenig Platz da, oder es fühlt sich einfach komisch an, im Wohnzimmer loszutanzen. Dabei ist Tanzen total wichtig, Kinder lieben es. Und es fördert mit Spaß auch eine ganze Menge an körperlichen Fähigkeiten. Probieren Sie das aus, spielen Sie einer Gruppe von Kindern eine Musik mit eingängiger Melodie und schnellen Rhythmen vor! Die fangen sofort alle an zu tanzen und zu hüpfen. Ich will die Eltern dazu animieren, dass sie danach vielleicht auch mal zu Hause mit ihren Kindern tanzen, ohne sich dabei albern oder unwohl zu fühlen.

Es ist schwierig, sich nicht albern zu fühlen, wenn man nachmittags nüchtern zu "Das rote Pferd" tanzt, oder?

Kinder fühlen sich ganz sicher nicht albern, die lieben Mitmachlieder, zu denen man laut mitsingen kann und deren Texte sie verstehen. Und es kommen ja nur Eltern mit kleinen Kindern, da muss sich keiner schämen.

In Ihrer Ankündigung schreiben Sie, dass Sie sich etwas Besonderes für Alleinerziehende ausgedacht haben. Das klingt ein bisschen, als planten Sie nebenbei noch eine Partnervermittlungsbörse.

Eben nicht. Viele Internetforen für Alleinerziehende sind meiner Erfahrung nach in Wahrheit Singlebörsen, aber das ist nicht mein Ziel. Ich bin selbst alleinerziehend. Alleinerziehende haben neben Kind, Job und Haushalt oft keine Zeit mehr für irgendetwas anderes, ihnen fehlt ein funktionierendes Netzwerk, das im Alltag vieles einfacher macht. Und es fehlt an Gelegenheiten, ungezwungen andere Alleinerziehende kennen zu lernen, mit denen man ein Betreuungsteam bilden oder am Wochenende etwas gemeinsam unternehmen könnte. In meiner Disco gibt es für alle Alleinerziehende, die das möchten, ein Erkennungszeichen, damit sie ins Gespräch kommen können. Es soll ein Austausch stattfinden, und wenn sich vielleicht die ein oder andere Bekanntschaft ergibt: umso schöner.

© SZ vom 28.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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