Und jetzt?:Abmachung gebrochen

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Herbert Knur, 69, Vorsitzender der Münchner Fluglärmkommission. (Foto: Renate Schmidt)

Startbahn-Gegner Herbert Knur über die neue Lärm-Studie

Interview von C. Gschwendtner

Berglern - Mit seinem Protest gegen die Dritte Startbahn hat es Herbert Knur bis in die New York Times geschafft. 2011 lief der ehemalige CSU-Bürgermeister der Gemeinde Berglern im Streit um den Ausbau des Münchner Flughafens zu den Freien Wählern über. Berglern liegt nur wenige Kilometer östlich des Münchner Flughafens und bekommt den Fluglärm bereits heute stark zu spüren. Der 69-Jährige ist Vorsitzender der Münchner Fluglärmkommission. Die neue Lärmwirkungsstudie NORA hat ihn als einen der Ersten erreicht. Darin heißt es, dass die Empfindlichkeit gegenüber Lärm subjektiv ist. Die Forscher weisen aber gleichzeitig auf die beträchtlichen Gesundheitsrisiken hin.

SZ: Herr Knur, können Sie nach dem Bekanntwerden der neuen Lärmwirkungsstudie wieder besser schlafen?

Herbert Knur: Ich persönlich schlafe trotz des Fluglärms noch relativ gut. Als gebürtiger Truderinger habe ich meine ganze Kindheit in der Nähe des Flughafens in München Riem verbracht. Das hat mich sicherlich abgehärtet. Bei vielen Menschen ist das anders. Die haben lange ruhig gelebt, dann hat sich ihre Lebenssituation plötzlich radikal geändert.

Welche Art von Lärm stört Sie persönlich am meisten in Ihrem Alltag?

Auf jeden Fall der Fluglärm. Meine Gemeinde Berglern ist momentan vor allem im Landeanflug stark belastet. Wenn die Flugzeuge Richtung Westen starten und von Osten her morgens um zwei Minuten vor fünf Uhr landen - dann ist es mit dem Schlaf vorbei.

Kennen Sie Krankheitsfälle, die sich auf den Fluglärm zurückführen lassen.

Es wäre vermessen, da eine eindeutige Kausalität herzustellen. Das können auch die Ärzte nicht. Es gibt aber verschiedene Verdachtsmomente. Fakt ist zum Beispiel: Wir hatten in unserer kleinen Gemeinde in den vergangenen Jahren sieben Krebstote zu beklagen. Alles verhältnismäßig junge Leute. Ein Beleg für einen direkten Zusammenhang mit dem Fluglärm und den Schadstoffausstoßen ist das noch nicht. Aber die Häufung fällt schon auf.

Sie selbst haben damals ein Haus in unmittelbarer Umgebung des Flughafens gebaut. Würden Sie das Ihren Kindern heute auch noch empfehlen?

Ja, Heimat ist nichts, das man so ohne weiteres verlassen kann. Ich habe drei Töchter. Zwei von ihnen leben heute noch in Berglern. Ich würde auch meinen Enkelkindern empfehlen, hier zu bleiben. Allerdings in einem Bereich, der vom Fluglärm weniger stark betroffen ist. Das Problem für junge Familien ist folgendes: Unsere Kinderkrippen liegen genau in der Anflugstrecke der geplanten dritten Start- und Landebahn. Die Kinder wären also dem Fluglärm vom ersten Lebensjahr an direkt ausgesetzt. So eine permanente Beschallung erscheint mir verantwortungslos.

Was heißt das konkret?

Die Flugzeuge würden im Zwei-Minuten-Takt in einer Höhe von 250 bis 300 Metern über den Kindern einfliegen.

Warum ist Ihre Gemeinde trotz des Fluglärms stetig gewachsen?

Das ist relativ einfach. Zum einen sind die Grundstückpreise bei uns noch relativ erschwinglich. Zum anderen hat es im südlichsten Ortsteil - über den die Anflugstrecke geht - so gut wie keine Entwicklung gegeben. Nur dort, wo es noch einigermaßen auszuhalten ist, haben sich die Leute angesiedelt. Hier sind die Kindergärten, die Sportvereine und die Schule. Von der dritten Start- und Landebahn wäre genau dieser Bereich betroffen. Und das werfe ich den Flughafenbetreibern vor. Bisher galt die Abmachung: Der Flughafen entwickelt sich an der Stelle, wo seine Bahnen jetzt sind. Und die Gemeinden entwickeln sich an der Stelle, wo der Fluglärm noch einigermaßen erträglich ist.

Welche Rolle spielen wissenschaftliche Argumente in der ideologisch sehr festgefahrenen Debatte um den Fluglärm.

Die Diskussion wird von beiden Seiten mit Ideologie aufgeladen. Wissenschaftliche Einsichten können da theoretisch hilfreich sein, diese Blockade aufzulösen, müssen es aber nicht. Man darf nicht vergessen, dass hinter den Studien immer auch Auftraggeber stehen. Die Politik hat sich im Fluglärmschutzgesetz zum Beispiel dafür entschieden, die etwas bequeme und für Flughafenbetreiber angenehmere Lösung festzuschreiben.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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