Umfrage in städtischen Betrieben:Jeder zweite Erzieher ist am Ende

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Sieht manchmal idyllisch aus, ist aber auch kräftezehrend: die Arbeit mit Kindern. (Foto: Stephan Rumpf)

Erschöpft, nervös und frustriert: Die Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung in städtischen Kitas und Tagesheimen sind alarmierend. Schulrat Schweppe versucht gegenzusteuern - mit Altersteilzeit und Diensthandys

Von Melanie Staudinger

Im gleichen Job bis zur Rente arbeiten? Mehr als 80 Prozent der Mitarbeiter in den städtischen Kindertagesstätten können sich das nicht vorstellen. Zu groß sind die psychischen und physischen Belastungen. Unzufriedenheit herrscht auch mit den Gehältern. Etwa die Hälfte ist mit der leistungsorientierten Bezahlung nicht einverstanden. Lediglich 19 Prozent fühlen sich ihrer Qualifikation entsprechend angemessen bezahlt.

Wenn Stadtschulrat Rainer Schweppe (SPD) die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung in den städtischen Krippen, Kindergärten, Tagesheimen und Horten am Dienstag im Kinder- und Jugendhilfeausschuss vorstellt, dann muss er sich mit alarmierenden Werten auseinandersetzen. Vor allem in den Bereichen Arbeitsbelastung, Rahmenbedingungen und Gesundheitsvorsorge gibt es der Erhebung zufolge großen Nachholbedarf.

Kinderpfleger und Erzieher haben in den vergangenen Wochen während des Streiks in den städtischen Kinderbetreuungseinrichtungen nicht nur einmal auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Sie berichten von Krankheiten, von Stress und von Burn-out. Die Anforderungen an den Job würden immer höher. Mehr Geld oder eine gesellschaftliche Anerkennung aber gebe es nicht. Die Zahlen, die das Bildungsreferat nun vorgelegt hat, beweisen, wie belastend die Arbeit als Erzieher oder Kinderpfleger sein kann.

Jeder zweite Mitarbeiter leidet fast täglich unter Müdigkeit, Erschöpfung oder Rückenschmerzen. Wie das Bildungsreferat in der Sitzungsvorlage für den Stadtrat schreibt, häufen sich zudem Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Nervosität. Fast 20 Prozent der Beschäftigten sind nie oder nur selten zuversichtlich, wenn sie an ihre Zukunft denken. Die Hälfte ist lediglich schlecht bis mäßig arbeitsfähig. In anderen Referaten der Stadtverwaltung liegt dieser Wert im Schnitt bei nur 31 Prozent. 46 Prozent der Kita-Angestellten gaben an, dass sie häufig unter Stress stünden, 40 Prozent glauben, dass sie zu viel Arbeit hätten.

Das Bildungsreferat will die Situation verbessern - insgesamt 27 Maßnahmen sollen dabei helfen. So sollen noch in diesem Jahr Altersteilzeit- und Vorruhestandsregeln eingeführt werden, und die leistungsorientierte Bezahlung soll zumindest überarbeitet werden. Laptops und Handys sollen den Arbeitsalltag erleichtern, Erzieher sollen Rückzugsräume bekommen. Außerdem plant die Stadt, die Arbeitsüberlastungen zu reduzieren und Maßnahmen für ein altersgerechtes Arbeiten zu entwickeln. Verwaltungskräfte sollen in den Einrichtungen helfen und so das pädagogische Personal entlasten.

All den Widrigkeiten zum Trotz arbeiten die insgesamt 4900 Beschäftigten gern in den Kindertagesstätten. 94 Prozent gaben an, dass ihnen ihr Beruf insgesamt Freude mache. 80 Prozent lobten, dass sich Beruf und Familie gut vereinbaren lassen, 83 Prozent sind zufrieden mit ihrer Arbeit. Weniger Spaß haben die Verwaltungsmitarbeiter: Von ihnen sagten nur 76 Prozent, dass sie zufrieden seien.

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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