Überzeugter Landrat:Stabile Notlösung

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Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner in Taufkirchen. (Foto: Angelika Bardehle)

Der Landkreis München setzt auf die aufblasbaren Behausungen

Von Martin Mühlfenzl, München

Es ist heiß am 4. August, weit über 30 Grad zeigt das Thermometer an - draußen. Irgendwann überlegt sich Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) doch, ihr Jackett abzulegen. Die Politikerin ist zu Besuch in Taufkirchen, sie besichtigt gemeinsam mit Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) eine der innovativeren Möglichkeiten der Unterbringung von Flüchtlingen - eine Traglufthalle. Und als Mikl-Leitner die Halle betritt, wird ihr deutlich, dass das mit dem Jackett eine gute Idee war.

Sieben solcher Traglufthallen mit jeweils Platz für bis zu 300 Schutzsuchenden stehen mittlerweile im Landkreis München. Sie haben sich, wie Landrat Christoph Göbel (CSU) sagt, als "temporäre Form der Unterbringung absolut bewährt". Nur bei den Temperaturen musste immer wieder mal nachjustiert werden - vor allem im Sommer, als das Thermometer in der Taufkirchner Halle schon mal über die 40-Grad-Marke hinausschoss. Dieses Problem hat die Firma Paranet, die für den Aufbau und die Technik verantwortlich zeichnet, längst behoben - und im Winter laufen die Gasheizungen, die sich außerhalb befinden, auf Hochtouren.

Der Landkreis München hat sich im Gegensatz zur Landeshauptstadt, die unter anderem auf Hallen in Leichtbauweise setzt, bewusst für die Unterbringung in aufblasbaren Hallen entschieden - nach einer Reise mehrerer Kreisräte und des Landrats nach Berlin. Seit 2014 stehen im Berliner Ortsteil Moabit zwei solcher Hallen, und die Landkreispolitiker überzeugten sich bei einem Besuch selbst von deren Zweckmäßigkeit. Noch heute sagt Göbel: "Es war für uns entscheidend, nach schnellen und kreativen Lösungen zu suchen. Wir haben diese gefunden - wissen aber auch, dass es keine Dauerlösungen sind." Doch sie helfen dem Landkreis, der Herausforderung durch die anhaltend hohen Flüchtlingszahlen Herr zu werden. In Taufkirchen, Ober- und Unterhaching, Neubiberg, Grünwald, Unterföhring und Haar stehen mittlerweile Traglufthallen. Der Betrieb ist jeweils zunächst auf zwölf Monate begrenzt. "Das gibt uns auch Zeit, nach anderen Formen der Unterbringung suchen zu können. Und wir müssen nicht in großer Zahl Turnhallen belegen", sagt Göbel. Momentan werden dem Landkreis München wöchentlich 115 Asylbewerber zugewiesen - in diesem Jahr rechnet die Verwaltung im Landratsamt damit, mindestens 9000 Schutzsuchenden eine dauerhafte Bleibe bieten zu müssen. Ohne die Traglufthallen sei dies nicht zu stemmen, sind sich die politisch Handelnden einig.

Doch es geht auch darum, die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen. "Natürlich sind die Hallen dabei nicht wirklich optimal, aber für eine gewisse Zeit ist das akzeptabel", sagt Göbel. Auf einer Fläche von 72 auf 36 Meter finden sich abgetrennte Einheiten mit jeweils sechs Betten; hinzu kommen fünf WC- und sechs Duschcontainer - getrennt nach Geschlechtern. Kindern steht ein eigener Spielbereich zur Verfügung, es gibt auch eine kleine Krankenstation. Allerdings kritisieren viele freiwillige Helfer, die sich in den Hallen um die Flüchtlinge kümmern, dass der Lärmpegel sehr hoch sei und es an Rückzugsmöglichkeiten etwa für Schwangere und stillende Mütter fehle. Dennoch, das bestätigt etwa der Helferkreis in Neubiberg, sei die Stimmung in der Halle sehr friedlich - die Menschen seien froh, hier ankommen und zur Ruhe kommen zu dürfen.

Die Traglufthallen, sagt Landrat Göbel, bleiben aber weiterhin nur Notunterkünfte: "Das ist kein neuer Akzent in der Flüchtlingspolitik, es ist eine Notlösung. Allerdings eine, die den Menschen für die kurze Zeit, in der sie dort sind, ein Minimum an Privatsphäre garantiert."

Und entgegen vieler Befürchtungen ist es eine sehr stabile Angelegenheit. Ende November musste die Halle in Neubiberg kurzzeitig evakuiert werden, nachdem Sicherheitskräfte Gasgeruch an der Heizungsanlage vermutet hatten. Schnell war danach vom "Einsturz" der Halle die Rede. Sie fiel aber nur langsam bis auf die Stützträger in sich zusammen - und schon am nächsten Tag konnten die Bewohner wieder in die frisch aufgeblasene Unterkunft einziehen.

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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