Überschuldung:Von Zinsen keine Ahnung

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Nadja Khan hat in München Soziale Arbeit studiert. Die 28-Jährige erklärt Jugendlichen, wie sie verantwortlich mit ihrem Geld umgehen können. (Foto: privat)

Nadja Khan bringt Jugendlichen bei, mit Geld umzugehen

Interview von Florian Haenes

Seit zehn Jahren klärt das Präventionsprojekt "Cashless" von Kreisjugendring, Arbeiterwohlfahrt, Gewerkschaftsbund und der Firma Anderwerk über Verschuldungsrisiken auf, die Workshops haben schon mehr als 27 000 Jugendliche besucht. Die Sozialarbeiterin Nadja Khan erläutert, wie junge Münchner lernen können, mit dem Geld, das sie haben, zu haushalten.

SZ: Haben Jugendliche heute größere Probleme als früher, mit Geld umzugehen?

Nadja Khan: Ich glaube, dass sich die Schwierigkeiten verlagert haben. Gleich geblieben ist, dass sich junge Erwachsene an der Schwelle zur Selbstständigkeit leicht verschulden, wenn sie Ratenverträge abschließen, zum Beispiel für ein Auto oder für Möbel für die erste eigene Wohnung. Immer mehr Raum nehmen Handys und andere elektronische Medien ein. In den letzten Jahren sind Handys immer teurer geworden, und Jugendliche stehen durch Freunde und Bekannte unter dem Druck, das neueste Smartphone zu haben.

Warum verschulden sie sich dafür?

Da muss man zwischen Verschuldung und Überschuldung unterscheiden. Viele Menschen gehen eine Finanzierung ein und zahlen etwas in Raten monatlich ab. Erst wenn die Jugendlichen die Raten nicht mehr bedienen können, obwohl sie ihre Ausgaben reduzieren, sind sie überschuldet. Banken wollten schon immer Geld verdienen, indem sie Kredite vergeben. Viele Jugendliche wissen das aber nicht. Wenn wir mit ihnen reden, ist die Überraschung groß, das bei einem Dispokredit die Zinsen bis zu zwölf Prozent betragen. Dann verstehen die Jugendlichen auch, dass Banken bereitwillig Kredite vergeben, weil das ein Geschäftsmodell ist.

Was raten Sie Jugendlichen, die überschuldet sind?

Wir empfehlen, mit dem Unternehmen Kontakt aufzunehmen, die Situation zu schildern und eine mildere Art der Ratenzahlung oder eine Stundung, also ein Verschieben der Ratenzahlung, zu vereinbaren. Die Jugendlichen sollten auch versuchen, ihr Einkommen zu erhöhen, wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum. Sie können auch darüber nachdenken, ob sie vielleicht etwas verkaufen, zum Beispiel gut erhaltene Klamotten oder elektronische Geräte. In der Jugendschuldnerberatung können sich Jugendliche außerdem individuell beraten lassen.

Wie können Jugendliche vermeiden, dass sie sich übermäßig verschulden?

Die Jugendlichen sollten ein Haushaltsbuch über ihre Einnahmen und Ausgaben führen, wenn am Ende vom Geld noch so viel Monat übrig ist. Dafür haben wir auch mit dem Verbraucherservice Bayern für Smartphones die App "Haushaltsplaner" entwickelt.

Was können Eltern tun?

Beim Taschengeld ist wichtig, dass die Kinder frei entscheiden können, was sie mit dem Geld machen. Transparenz darüber, was der Haushalt eigentlich kostet, ist auch wichtig. Zum Beispiel können die Eltern mit ihren Kindern darüber sprechen, was die Familie für Ernährung ausgibt. Neben den Eltern müssten aber die Schulen bei der finanziellen Alltagserziehung der Kinder noch mehr machen. Es ist leider bundesweit eine Ausnahme, dass es eine Organisation wie Cashless gibt, die nur dafür da ist, Jugendlichen in den Schulen zu erklären, was zum Beispiel ein Schufa-Eintrag oder ein Mahnbescheid ist.

© SZ vom 17.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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