Überfall auf eine Frau:Entführer in Thailand gefasst

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Zielfahnder der Münchner Polizei spüren den mutmaßlichen Erpresser auf: Er hatte sich noch am Abend der Tat aus München abgesetzt. Die Kripo ist zufrieden: "Der Täter war nicht schlecht, aber wir waren besser"

Von Martin Bernstein und Susi Wimmer, München

Der mutmaßliche Entführer der Frau eines Bankmanagers ist gefasst. Am Freitag ist es thailändischen Polizisten gelungen, den Gesuchten festzunehmen. Es handelt sich um den 52-jährigen gebürtigen Kölner Mario S., der ein Haus in Thailand besitzt. Dorthin hatte er sich noch am Abend nach der misslungenen Entführung einer Ottobrunnerin abgesetzt. Der Festgenommene hat vor seinem Umzug nach Thailand einige Zeit in Ohlstadt (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) gelebt. Bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Montag ließ die Polizei aber die Frage nach möglichen früheren Geschäftsbeziehungen des 52-Jährigen zur Münchner Stadtsparkasse offen. Die Familie eines leitenden Angestellten dieses Geldinstituts hatte sich der Täter für seinen Entführungs- und Erpressungsversuch ausgesucht. Er hatte am Tatort einen Brief mit einer Lösegeldforderung über 2,5 Millionen Euro und einer Handynummer zurückgelassen.

Seit 2013 hatte der jetzt festgenommene Mario S. seinen Hauptwohnsitz in Phrae im Norden Thailands. Er ist dort verheiratet. Vorstrafen hat er nicht. Somit konnte die Polizei ihn zunächst trotz einer an der Pistole hinterlassenen DNA-Spur auch nicht über ihre Datenbank identifizieren. Dennoch ist es den Beamten der Münchner Kripo gelungen, Mario S. auf die Spur zu kommen. "Der Täter war nicht schlecht, aber wir waren besser", sagt deren Chef Markus Kraus. Anhand von zahlreichen Handydaten, Bildern der Videoüberwachung am Münchner Flughafen und Passagierlisten der spätabends in München startenden Flüge konnten die Beamten den Mann vor zehn Tagen identifizieren. Ohne den Zugriff auf von Anbietern kurzfristig gespeicherte Telekommunikationsdaten wäre das schwierig bis unmöglich gewesen, sagte Kraus.

Der Täter war am 10. Juni frühmorgens mit der S-Bahn nach Ottobrunn zum Wohnhaus der vierköpfigen Familie eines Sparkassen-Managers gefahren. Der Täter gab sich als Paketbote aus, überwältigte die 46-jährige Ehefrau und fesselte den zwölfjährigen Sohn an die Heizung. Dann zwang er die Frau mit vorgehaltener Pistole zu ihrem Wagen. Sie musste eine abgeklebte Brille aufsetzen, der Entführer steuerte den Wagen nach München. Die Fahrt endete auf dem Lidl-Parkplatz an der Westendstraße 100. Dort parkte der Mann das Auto. Offenbar wollte er am helllichten Tag mit seinem Opfer zu einer Wohnung in der Nähe gehen, die er angemietet hatte. Doch auf dem Parkplatz gelang es der Frau, das Magazin aus der Softair-Waffe an sich zu bringen, das dem Entführer heruntergefallen war, und sich loszureißen. Der Täter machte sich daraufhin über den Parkplatz und das nahe gelegene Firmengelände von Opel Häusler aus dem Staub. Dabei wurde er gefilmt. Eine sofortige Großfahndung blieb dennoch erfolglos.

Der mutmaßliche Täter hatte sich Mitte Mai als Zwischenmieter eine Wohnung in der Bergmannstraße im Westend besorgt. Die eigentlichen Mieter, eine vierköpfige Familie, wollte den Umbau- und Sanierungsmaßnahmen in dem Haus entgehen. In unmittelbarer Nähe der Wohnung, von ihr aber durch eine Straße und abgezäunte Hinterhöfe getrennt, liegt der Parkplatz, auf dem die Entführung endete.

Inzwischen weiß man, warum die Fahndung zunächst erfolglos blieb: Der Mann war offenbar zurück in seine Wohnung gegangen, hatte sich dort rasiert und die Räume gründlich geputzt, um keine Spuren zu hinterlassen. Mario S. telefonierte nach SZ-Informationen auch mit einem Unbekannten an der Donnersbergerbrücke. Die Polizei geht aber derzeit davon aus, dass der Mann als Einzeltäter handelte. Er wartete seelenruhig ab, bis die starken Polizeikräfte aus dem Westend abgezogen waren, übergab die Wohnungsschlüssel an den Vater der Wohnungsmieter und fuhr zum Flughafen. Offenbar flog er auf Umwegen nach Bangkok: Es gibt täglich nur einen direkten Linienflug von München aus, um 14.

25 Uhr. Seit vergangener Woche gab es einen internationalen Haftbefehl gegen Mario S. Üblicherweise heften sich dann die Zielfahnder des Polizeipräsidiums auf die Spuren des Gesuchten. Den zwölf Spezialisten wird nachgesagt, eine Erfolgsquote von nahezu hundert Prozent zu haben. So auch in diesem Fall. Nun sitzt der Gesuchte in Thailand in Abschiebehaft. Wann er nach München gebracht wird, ist laut Polizei noch offen. Auf Antrag der Münchner Staatsanwaltschaft hatte ihm die deutsche Botschaft in Bangkok seinen Reisepass entzogen. Damit war sein Aufenthalt in Thailand illegal - und die sofortige Festnahme durch die örtlichen Behörden möglich. Im Fall einer Verurteilung wegen erpresserischen Menschenraubs, Freiheitsberaubung und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung erwarten den Täter laut Staatsanwältin Judith Henkel in Deutschland fünf bis 15 Jahre Haft.

© SZ vom 30.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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