U-Bahnschläger vor Gericht:Brutale Attacke nach Wiesn-Exzess

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Mit maßloser Wut hat der Angeklagte auf einen Fahrgast eingetreten, der ihn vorher zurechtwies. Das Opfer ist traumatisiert.

Christina Warta

Es ist der 5. Oktober 2008, der letzte Wiesntag, als Ophir W. und Josef K. in der U6 aufeinander treffen. Beide kommen vom Oktoberfest, beide sind betrunken. Ophir W. raucht, Josef K. weist ihn zurecht. Ein Handgemenge, eine Beleidigung - die Fahrgäste solidarisieren sich und schieben Ophir W. aus dem Wagen. Wütend spuckt er Josef K. an, der springt ebenfalls aus dem Wagen, um ihn zur Rede zu stellen.

In der U-Bahnstation Giselastraße: Ophir W. nach der Tat. (Foto: Foto: dpa)

W. läuft weg, dann dreht er sich um und versetzt Josef K. mit der Faust einen brutalen Schlag. K. geht zu Boden, und Ophir W. tritt mit dem Fuß nach: einmal, zweimal, ein drittes Mal. Ein Fahrgast geht dazwischen, schubst Ophir W. wieder und wieder weg, bis er den Bahnhof verlässt. Wegen gefährlicher Körperverletzung muss sich W. nun vor dem Landgericht I verantworten.

Es ist frappierend, wie sich die Geschichten und die Bilder aus den Überwachungskameras gleichen: Im Juli vergangenen Jahres wurden Serkan A. und Spyridon L. verurteilt; sie hatten einen pensionierten Lehrer im U-Bahnhof Arabellapark fast zu Tode geprügelt, weil er gesagt hatte: "In der U-Bahn wird nicht geraucht."

Und jetzt dieses Video: Am U-Bahnhof Giselastraße sieht man die beiden Männer nacheinander aus der U-Bahn springen, es kommt zur Schlägerei. Und Ophir W. hört nicht auf, als Josef K. am Boden liegt. Er läuft weg, kommt zurück, tritt ihm mit offenbar maßloser Wut an den Kopf, später auf den Körper. Laut einer Zeugin hatte Josef K. Ophir W. angeherrscht: "In der U-Bahn wird nicht geraucht."

Es gibt einige Parallelen zwischen den beiden Fällen von U-Bahn-Schlägereien, doch es gibt auch viele Unterschiede. Die Täter vom Arabellapark stammen aus schwierigen Verhältnissen.

Nicht so dieser U-Bahn-Prügler: Der 23-jährige Azubi zum Immobilienkaufmann sitzt so adrett auf der Anklagebank, als habe er gleich den nächsten Geschäftstermin: in weißem Hemd, hellblauem Pullover und mit gegeltem Haar. Die Eltern des Deutsch-Israelis leben in Frankfurt am Main: Der Vater ist Biologe, die Mutter Hausfrau, der Bruder ist Lehrer, die Schwester studiert Chemie.

Ophir W. ist in Israel geboren, er kam 1989 nach Deutschland. Nach der Mittleren Reife arbeitet er zwei Jahre freiberuflich, beginnt dann die Lehre. Als eifrig und höflich beschreiben ihn Zeugen, er selbst berichtet, dass er täglich von acht bis 22 Uhr im Büro gearbeitet habe. Beim Wiesn-Ausflug mit Kollegen und Geschäftspartnern fließt das Bier in Strömen.

Ophir W. hat angeblich sechs Maß intus, als er auf Josef K. trifft. "Ich habe mich extrem erniedrigt gefühlt", sagt er über die Zurechtweisung, "aber ich wollte niemanden belästigen, das ist nicht meine Art." Hinterher geht er nach Hause, schläft seinen Rausch aus, steht am Morgen wieder im Büro. Als zwei Tage später Josef K.s Foto in den Zeitungen erscheint, dämmert ihm, was passiert ist. Er stellt sich der Polizei, gesteht die Tat.

Und er entschuldigt sich an diesem ersten Verhandlungstag bei seinem Opfer. Josef K. hat die Zeit seit der Tat in Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen zugebracht. Seine Schulter ist gebrochen, seine Hüfte auch.

Der 43-Jährige kommt auf Krücken in den Gerichtssaal, weil wegen der schweren Verletzungen auch eine Knie-Operation nötig war. Seinen Beruf als Fernmeldetechniker wird er nie wieder ausüben können, seine Tätigkeit als Übungsleiter für Judo wohl auch nur eingeschränkt. Er nehme Beruhigungsmittel, sagt er, und U-Bahn fahren könne er seither auch nicht mehr. "Ich trau' mich da nicht runter." Der Prozess wird an diesem Dienstag fortgesetzt.

© SZ vom 17.02.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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