Tunnel in München:"Risiken gibt es immer"

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Nach der Katastrophe von Köln: Wie Experten die Gefahren neuer U-Bahn-Tunnel und der zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München einschätzen.

Dominik Hutter

Das Bild ging damals um die Welt, und viele Münchner werden es sofort vor Augen gehabt haben, als sie von den Ereignissen in Köln erfuhren: der weiß-blaue MVV-Bus, der fast senkrecht aus dem Asphalt ragt. Drei Menschen kamen am 20.September 1994 ums Leben, als sich am Truderinger Bahnhof plötzlich ein riesiger Krater auftat, in dem das tonnenschwere Fahrzeug versank.

Tragödie beim U-Bahn-Bau: das Truderinger Busunglück von 1994. (Foto: Foto: dpa)

Die Ursache war ein Grundwassereinbruch im darunter liegenden, frisch gegrabenen U-Bahn-Tunnel - der entstehende Strudel riss die Oberfläche und damit auch den Bus in die Tiefe.

Wie gefährlich ist es, U-Bahn-Tunnel unter Großstädten zu buddeln? Der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma hat, unter dem Eindruck der Katastrophe vom Dienstag, Zweifel geäußert, dass derartige Projekte noch zu verantworten sind. "Für mich wird das jedenfalls zusehends zu einem Problem." Eine solche Aussage schreckt auf - gerade in München, wo seit den späten sechziger Jahre praktisch ununterbrochen die U-Bahn-Maulwürfe unterwegs sind.

Die jüngste Strecke der U3 in Moosach ist gerade im Rohbau fertig, und an neuen Projekten herrscht kein Mangel - darunter die gigantische zweite S-Bahn-Stammstrecke, die in 40 Metern Tiefe verlaufen soll.

"Wo gebaut wird, gibt es immer Risiken", betont Norbert Vogt, Professor am Lehrstuhl für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau an der TU München, der vor Hysterie warnt. Ganz ausschließen könne man Unglücksfälle zwar nie - aber das Risiko würde auf ein vertretbares Maß minimiert.

Als Richtwert gelte, dass bei "etwa einer Million gleichartiger Fälle nur ein Schaden auftritt". Wichtig sei es vor allem, gut ausgebildete Ingenieure zu beschäftigen, alle Berechnungen nach dem Vier-Augen-Prinzip zu überprüfen und starkem wirtschaftlichem Druck zu widerstehen. "Dann sind auch komplexere Bauvorhaben verantwortbar". Zumal man deren späteren Nutzen nicht vergessen dürfe.

Vogt hat jedenfalls den Eindruck gewonnen, dass sich die Münchner Tunnelbauer ihrer Verantwortung bewusst sind. Dass der Bau neuer Tunnelstrecken also keineswegs ein Himmelfahrtskommando darstellt. Zumal auch die Bodenverhältnisse eine wichtige Rolle spielen. In Köln seien sie, wegen der Nähe zum Rhein sowie der mächtigen und weitgehend unerforschten Schicht jahrhundertealten "Kulturschutts" komplexer als in München, wo man nach 100 Kilometern U-Bahn-Bau über viel Erfahrung verfüge.

Die zweite S-Bahn-Stammstrecke, da ist Vogt nach dem Studium der Planunterlagen überzeugt, wurde aus ingenieurtechnischer Sicht "mit Augenmaß" geplant. Ohnehin sei es sicherer, in 40 Metern Tiefe durchs wasserundurchlässige Tertiär zu graben, als in den instabileren Schichten direkt unter der Oberfläche.

Auch Lothar Eicher von der Abteilung U-Bahn-Bau des städtischen Baureferats hat keine Zweifel, dass die Risiken des Tunnelbaus auch in Zukunft zu meistern sind. "Das kann man jetzt nicht in Frage stellen". So werde jede statische Berechnung durch ein unabhängiges Büro noch einmal überprüft.

Die Baumethodik sei zudem in den vergangenen Jahrzehnten stetig verbessert worden. Sobald Unregelmäßigkeiten wie Risse auffielen, was durchaus zum Alltag gehöre, werde sofort angemessen reagiert. "Es wird ständig geprüft, und es werden ständig Maßnahmen ergriffen" - Stabilisierungen durch Überdrucksysteme etwa oder auch durch Vereisung.

© SZ vom 05.03.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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