Trinkgeld-Verbot für Müllwerker:Ungesundes Misstrauen statt berechtigter Dankbarkeit

Lesezeit: 2 min

Müllmänner dürfen in München kein Trinkgeld annehmen. Das ärgert die Müllwerker - und viele Leser. (Foto: Stephan Rumpf)

"Bestechung zu Weihnachten" vom 16./17. Januar:

Verdiente Anerkennung

Wie zerstört man eine Kultur der Dankbarkeit und Anerkennung? Ich gestehe, ich war empört, nachdem ich den Bericht in der SZ gelesen habe. Bin ich doch durch diese Sichtweise urplötzlich selber in den Verdacht der Bestechung geraten. Und das, weil ich aus Zufriedenheit für freundliche Erledigung von alltäglichen Dienstleistungen unserem Postboten mit einem "Trinkgeld" meine Wertschätzung gezeigt habe; meine Dankbarkeit für seine in der heutigen Zeit keineswegs mehr selbstverständliche freundliche und kompetente Art der Erledigung seiner Aufgaben. In jedem anderen Dienstleistungsgewerbe ist das üblich, ob bei Taxifahrten oder einer freundlichen Bedienung in einem Restaurant.

Wer weiß, unter welchen Umständen Postboten und Müllarbeiter heute ihren harten und nicht gerade üppig bezahlten Job erledigen müssen, und wer weiß, dass unter diesen Bedingungen Zuverlässigkeit und Kompetenz nicht immer selbstverständlich sind, wird sicher verstehen, dass ein Honorieren von guter Arbeit am Jahresende, wie es jahrzehntelang üblich war, nichts mit Bestechung zu tun hat, sondern eben eher eine Anerkennung für - heute nicht mehr überall selbstverständliche - gute Arbeit ist. Ich vermute nicht, dass jemand pauschal Trinkgelder gibt für inkompetentes oder unfreundliches Verhalten, ebenso wenig wie für das Erkaufen von Sonderleistungen, auch wenn das ab und an in Ausnahmefällen vorkommen mag.

Was erreicht man durch solche bürokratischen, juristischen und letztlich von Angst geprägten Handlungsweisen? Zerstörung von Existenzen, Zwietracht unter der Belegschaft der Dienstleister und eine pauschale Kriminalisierung von Bürgern, die sich bei Menschen, welche sie im Alltag unterstützen, einmal im Jahr bedanken wollen. Ich vermute, der Kostenaufwand und der gesellschaftliche Schaden für dieses durch Misstrauen geprägte Verhalten sind weitaus größer als die Gefahr, dass dem Staat durch vermeintliche Bestechung höhere Müllgebühren entgehen, weil einmal ein Sack Laub extra mitgenommen wurde. Die Welt wird sicher nicht dadurch besser, dass man von jedem Menschen das Schlechteste denkt.

Ruth und Prof. Dr. Randolf Hanke, Puschendorf

Geht's noch?

Das Problem mit dem Trinkgeld liegt nicht bei den Nehmern und nicht bei den Gebern. Es liegt an der staatlich verordneten Regelwut und der gesellschaftspolitisch unsinnigen "Gleichmacherei". Der Müllmann oder die Müllfrau hat einen ehrbaren Beruf, aber bestimmt nicht einen, der sehr begehrt ist.

Müssen wir wirklich aus der nett gemeinten Geste von Bürgerinnen und Bürgern zu Weihnachten für Menschen, die unseren Dreck tagein, tagaus bei Wind und Wetter wegräumen, ein strafrechtliches Problem machen?

Es sollte reichen, wenn der Staat vor nicht allzu langer Zeit die Steuerpflicht für derartige Zuwendungen eingeführt hat.

Peter Zimmermann, Passau

Leserbriefe stellen keine redaktionelle Meinungsäußerung dar, dürfen gekürzt und hier in der Digitalen Ausgabe veröffentlicht werden. Briefe ohne Nennung des vollen Namens werden nicht veröffentlicht. Bitte geben Sie für Rückfragen Ihre Adresse und Telefonnummer an. Das Leserforum des SZ-Ressorts "München-Region-Bayern" erreichen Sie per E-Mail unter forum-region@sueddeutsche.de, per Fax unter 089/2183-8295 oder postalisch unter: Süddeutsche Zeitung, Leserforum Region, Hultschiner Straße 8, 81677 München.

SZ

© SZ vom 28.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: