Treue Leser:"Der tägliche Trost für die ewige Margarine"

Lesezeit: 4 min

Noch immer lesen Gertraud und Christian Jutz täglich die Zeitung - auch wenn sie mittlerweile die Lupe dafür zur Hand nehmen müssen, wie sie erzählen. Für sie besonders wichtige Artikel schneidet Gertraud Jutz sogar aus: "Ich habe ganze Aktenordner voll davon." (Foto: Georgine Treybal)

Gertraud und Christian Jutz lesen die "Süddeutsche Zeitung" von Anfang an mit Leidenschaft. Mit der Landkreisausgabe verbindet das Ehepaar viele persönliche Erinnerungen.

Von Astrid Becker, Berg

Es ist ein ungewöhnliches Kompliment, das Gertraud Jutz der SZ an diesem verschneiten Apriltag macht. "Wissen Sie", so sagt die Frau des Volkssternwarten-Gründers Christian Jutz in Berg, "die Süddeutsche Zeitung war mein allmorgendlicher Trost für die ewige Margarine." Zu dieser Zeit schreibt man das Jahr 1947, die SZ war noch eine ganz junge Zeitung, knapp zwei Jahre gab es sie erst. Als erste Zeitung war sie nach dem Zweiten Weltkrieg in München erschienen. Gertraud Eberle, wie sie damals noch hieß, war gerade nach München gekommen, um hier Jura zu studieren. 18 Mark habe sie damals für ihr Zimmer mit Frühstück in der Thierschstraße bezahlt. Und dieses Frühstück bestand aus Brot mit Marmelade - und eben Margarine. Butter, so sagt sie, habe es in der Nachkriegszeit eben nicht gegeben.

Die Eheleute sind in vielen Vereinen Mitglied, auch bei den Freunden von Dinard

Die Landkreisausgaben lagen damals noch in weiter Zukunft. Aber die Liebe zur SZ habe sie dennoch schon damals entdeckt, und sie ist ihr bis heute treu geblieben. "Ihre Konkurrenz ruft mich zwar immer wieder an, aber ich lehne deren Angebote stets ab." So treu, wie sie das Geschehen in der Welt und in der Region seit Jahrzehnten beobachtet, so treu ist der SZ auch ihr Mann Christian, der 1992 die Volkssternwarte Berg ins Leben gerufen hat - als er sich aus der Wissenschaft verabschiedete. Christian Jutz, Jahrgang 1925, ist Chemiker und Doktor der Naturwissenschaften. Auch er kennt die SZ von Anfang an - und liest sie auch noch heute täglich. "Mittlerweile bin ich zwar langsamer geworden, sehe auch nicht mehr so gut, aber mit meiner großen Lupe geht es schon noch."

Das Feuilleton ist seine große Leidenschaft, von der Wirtschaft ist er angetan, vom Reiseteil, weil er und seine Frau viele Reisen unternommen hätten - und dann natürlich auch von der Landkreisausgabe, mit der die beiden auch sehr viel Persönliches verbindet. Zum Beispiel Tochter Susanne, die 1965 geboren wurde und im Alter von zwei Jahren mit den beiden älteren Brüdern und den Eltern nach Berg gezogen war. Von Vater Christian und Mutter Gertraud erbte sie die Liebe zur Musik. Schon als junge Gymnasiastin spielte sie sechs Instrumente. Sie gab Konzerte und die Starnberger Neuesten Nachrichten, wie die Landkreisausgabe der SZ hier im Fünfseenland seit ihren Anfängen 1977 hieß, berichtete darüber dann schon mal: "Das hat mich immer gefreut", sagt Gertraud Jutz. Heute ist die Tochter eine bekannte Konzertpianistin. Mit dem "E.T.A. Hoffmann Klaviertrio" ist sie auch immer wieder mal im Landkreis zu erleben, und ihre Mutter freut sich dann noch immer, wenn etwas darüber in der Zeitung erscheint. Gertraud Jutz schneidet sich noch heute solche Artikel aus: "Ich habe Aktenordner voll davon", sagt sie.

Auch über die Partnerschaft der Stadt mit Dinard hebt sie sich alles auf. "Wir waren ja von Anfang an immer dabei". Bei den "Freunden von Dinard" ebenso wie bei den "Freunden von Phalsbourg" in Berg, einer Partnerschaft, die seit 1992 besteht. Dass es damit ernst werden würde, haben Christian und Gertraud Jutz durch einen Zufall erfahren. Gerüchte davon habe es schon gegeben, erzählen sie. Aber dann hätten sie auf dem Weg zu Freunden nach Luxemburg in Phalsbourg Station gemacht und seien dort dem damaligen Bürgermeister von Berg, Josef Ücker, begegnet: "Da war es klar, dass das kein bloßes Gerücht war." Auch über diese Partnerschaften hätten sie viel in der Zeitung gelesen, ebenso wie über all die anderen Vereine, in denen sie Mitglied waren und noch immer sind.

Und dann war da ja auch noch die Volkssternwarte, die Christian Jutz nach seiner Emeritierung ins Leben rief und die am 8. Juli 1992 eröffnet wurde, an seinem 67. Geburtstag. "Ich erinnere mich noch gut an Ihren einstigen Redakteur Helmut Hornung, der viel darüber geschrieben hat", sagt er. (Anm. der Red.: Hornung hatte selbst ein Buch über Astronomie geschrieben, das mit dem Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde und war lange Jahre stellvertretender Redaktionsleiter in Starnberg. Er arbeitet mittlerweile für die Max-Planck-Gesellschaft und schreibt noch immer über den Sternenhimmel in der SZ). "Ich fand es immer sehr schön, dass wir in der SZ auch immer die Sonderöffnungszeiten der Sternwarte bekannt geben konnten. Bei der Sonnenfinsternis oder besonderen Himmelsereignissen", sagt Christian Jutz.

Gertraud Jutz würde sich noch heute gern ehrenamtlich für Flüchtlinge engagieren

Als Unterstützung hat auch seine Frau die SZ bisweilen empfunden. Zum Beispiel damals, als die Zeitungslektüre beim Staatsexamen geholfen habe. Thema damals war der Nato-Beitritt der Türkei und Griechenlands. Am selben Morgen hatte sie darüber in der SZ gelesen. Später, als sie längst in Berg lebte, ging diese Art der medialen Hilfestellung weiter. "Ich hatte ja nur Englisch und Latein in der Schule gehabt, Französisch sprach ich nur schlecht und wollte es schon wegen Dinard lernen." Sie tat dies in der Volkshochschule, wo sie dann auch noch Italienisch belegte: "Das habe ich aus der Zeitung erfahren und das hat mir sehr geholfen." Auch die Artikel über den öffentlichen Personennahverkehr lesen sie noch immer - und halten sie für ausgesprochen wichtig. "Die Menschen werden immer älter, können nicht mehr Autofahren, da wird das immer wichtiger", sagen sie. Da hätte sich viel in den vergangenen 40 Jahren verändert, sagen sie. "Früher ging bei uns zwei Mal am Tag ein Bus, man kam ohne Auto kaum irgendwo hin." Das sei heute anders, auch wenn sie selbst das Angebot aufgrund ihres Alters nicht mehr nutzten. Bedauerlich sei nur, dass die Fahrpläne nicht mehr abgedruckt würden: "Aber vielleicht ändert sich das ja wieder?"

Noch etwas bedauert Gertraud Jutz: "Ich lese viel über das ehrenamtliche Engagement bei den Flüchtlingen in Ihrer Zeitung", sagt sie: "Da wäre ich sofort dabei, schade, dass ich so alt bin und das nicht mehr kann." Aber sie schätzt es, dass diese Themen aufgegriffen werden. Und dann ist da ja auch noch die Sache mit der Kreispolitik. Früher, als sie noch mobiler waren, hätten sie vieles auch in persönlichen Gesprächen erfahren, heute bleibt ihnen dafür die Zeitung: "Sie verbindet uns mit dem, was da draußen passiert."

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: