Treffpunkt:Konstante im Viertel

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Chöre, Bergsteiger, Rentner und Flüchtlinge - für viele Menschen aus der Schwulenszene ist das Sub ein Stück Heimat

Von Martin Mühlfenzl, München

Manchmal endet die Flucht erst, wenn sie die Klingel an der verglasten Tür mit dem kleinen Regenbogen-Aufkleber an der Müllerstraße 14 drücken. Eine schier endlose Reise, auf der sie Gefahren und Torturen durchlebten, die manch sichtbare, aber vor allem verborgene Spuren hinterlassen haben. Wenn sich die Tür zum Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum München (Sub) öffnet, beginnt für viele endlich ein neuer Abschnitt - die Chance auf ein Leben ohne Angst, ohne Versteckspiel und als derjenige, der man sein will. "Dafür ist das Sub ja auch da", sagt Kai Kundrath.

Er ist seit 2012 im Team des Sub dabei, als Leiter des Projektes Prävention. Vor allem die Aufklärung über HIV liegt in seinem Aufgabenbereich, er war lange in der Münchner Aids-Hilfe engagiert und versucht heute, mit kreativen Ansätzen in der Szene Präventionsarbeit zu leisten. Seit mehreren Monaten hat Kundrath im Haus an der Müllerstraße eine Veränderung registriert. "Besser gesagt: Es ist noch eine andere Art der Arbeit verstärkt auf uns zu gekommen", sagt er. "Es kommen viel mehr Flüchtlinge in das Sub. Sie schlagen hier von selbst auf und sie suchen ganz konkret Hilfe." Der gesellschaftliche Wandel, der mit dem Zuzug von Schutzsuchenden einhergeht, hat auch die queere Szene im Glockenbachviertel erreicht.

Nun ist es so, dass es "die Szene" im Glockenbachviertel eigentlich nicht mehr gibt, sagen viele aus der LGBT-Gemeinschaft, die hier groß geworden oder sozialisiert worden sind. Zumindest hat sich das Viertel stark verändert, viele alte "Wohnzimmerkneipen" der schwul-lesbischen Szene, wie Kundrath sagt, hätten in den vergangenen Jahren zugemacht. Das Sub aber ist so etwas wie die immer währende Konstante im Viertel. Der Anker für all jene, die dem Diversity, dem Jugendzentrum für junge Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender entwachsen sind. Nach oben offen, sagt Kai Kundrath, sei das Altersspektrum der Besucher im Sub. "Hier geht es so um die 30 los. Wir haben aber auch viele Rentner im Café, die hier gerne Zeit verbringen."

Vor allem seit dem Umzug im Jahr 2012 in die neuen, großzügigen Räumlichkeiten in der Müllerstraße 14. "Seitdem sind wir in der Stadt auch deutlich präsenter. Wir werden viel mehr wahrgenommen - das tut uns natürlich gut", sagt Kundrath. Das Sub sei offener und noch vielfältiger geworden. Zwei schwule Münchner Chöre proben mittlerweile hier. Die Münchner Gruppe von Queeramnesty, die queere Abteilung von Amnesty International, hält hier ihre Treffen ab. Und auch am Thekendienst im Café, sagt Kundrath, lasse sich ablesen, dass immer wieder neue Gesichter ins Sub kommen. "Für viele ist das ein Stück Heimat. Hier werden sie beraten, können ihre Freizeit gemeinsam gestalten." Es gibt innerhalb des Sub sogar eine eigene Sektion des Deutschen Alpenvereins, eine Arbeitsgruppe "Homosexuelle und Kirche", die Paar- und Einzelberatung und natürlich die klassische Hilfe beim Coming-out.

Und neuerdings sogar zwei Deutschkurse, die von Ehrenamtliche geleitet werden. Einer für Migranten, die schon ein paar Vorkenntnisse der deutschen Sprache besitzen - und einer speziell für Flüchtlinge, die sich dem Deutschen ganz neu annähern. "Das gehört neuerdings auch zu uns. Und natürlich auch die Beratungen von Flüchtlingen", sagt Kundrath. "Viele sind traumatisiert, weil sie in ihrer Heimat nicht sein durften, was sie sind."

Im Sub dürfen sie das. Das Zentrum ist zwar nur ein Ausschnitt der LGBT-Szene in München - aber ein sehr wichtiger. Mit vielen Facetten und Angeboten. Da kann sich das Viertel rundherum noch so viel verändern.

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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