Traudl Maier:Tante Traudls Welt

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Es ist eine heile, fast vergessene Welt, die ein kanadischer Film über München beschwört: Die Welt der bayerischen Lady Traudl Maier, die in Trudering einen der letzen Tante-Emma-Läden betreibt.

Anna Fischhaber

Sanft wiegen sich die Gräser im Wind. Eine Reihenhaussiedlung ist zu sehen, dann schwenkt die Kamera auf ein kleines weißes Gebäude. "55 Jahre Lebensmittel Maier" steht auf dem grünen Schild neben der Tür. Durchs Schaufenster sieht man einen blonden Lockenkopf, der gerade über die hölzerne Theke reicht.

Seit sie zehn Jahre alt ist, arbeitet Traudl Maier im Kramerladen der Familie. Inzwischen ist sie selbst die Chefin. (Foto: Foto: af)

Es ist eine heile, fast vergessene Welt, die die kanadischen Regisseurinnen Muriel Béasse und Véronique Glorieux mit ihren Film über München beschwören. Während überall moderne Supermärkte das Bild bestimmen, scheint im Truchthari Anger in Kirchtrudering die Zeit stehen geblieben zu sein. Hier, am äußersten Ende der Stadt, betreibt Traudl Maier einen der letzen Kramerläden überhaupt.

Es ist eine bunte, kleine Welt, über die die 69-Jährige herrscht: Auf nicht einmal zehn Quadratmetern gibt es Schnüre, Stubenbesen, Zucker, Milch, Tomaten, die Preise auf den Waren sind liebevoll per Hand geschrieben. In einem der Regale thront Heidi, Maiers altersmüder Dackel. Die Wand hinter der Theke zieren eine antike Kaffeeschütte und eine Waage aus Eisen.

Kasse oder Scan sucht man vergeblich. Die alte Dame mit den wachen blauen Augen rechnet die Einkäufe fein säuberlich auf einem Notizblock zusammen. Sie kann sich noch an die Zeit erinnern, als es Mehl offen zu kaufen gab und die Nachbarn mit Tellern kamen, als die Kundinnen ihre Rabattmarken für ein paar Nylonstrümpfe eintauschten und regelmäßig Vertreter die Echtheit der Produkte kontrollierten. "Gewürzmänner, Milchmänner, Maggimänner - früher gab es Vertreter für alles. Oh waren das lästige Luder!" Maier lacht. Wir sitzen in ihrer Küche, direkt hinter dem Laden. Die Ladenbesitzerin schenkt noch einen Kaffee ein. Sie erzählt gerne von früher.

"Das ist der Laden, das bin ich und fertig"

Das ganze Leben hat die 69-Jährige mit der sonnengegerbten Haut in dem Haus hinter dem kleinen Laden in Trudering, direkt neben dem ehemaligen Riemer Flughafen, verbracht. Selbst hat sie nur einmal ein Flugzeug bestiegen. Gereist ist sie trotzdem viel - dank der Kunden, die von überall her in den Kramerladen kommen. "Als Verkäuferin muss man vielseitig interessiert sein", sagt Maier. "Aber ob nun Dachdecker oder Millionärsmessenbesucher, Gummibärli bleibt Gummibärli."

Der erste Brief aus Kanada kam im Frühling vor einem Jahr, erinnert sie sich. "Wenn die was wollen, dann werden die schon kommen, habe ich mir damals gedacht." Maier lacht. "Ich bin halt eine waschechte Münchnerin." Wie sich eine typische Münchnerin denn definiere? "Wir sind ruhiger, gemütlicher, können uns auch mal über eine Brotzeit freuen oder über das schöne Wetter", zählt Maier auf. "Und manchmal sind wir eben auch ein wenig grantig!"

Die Regisseurinnen nahmen ihr das nicht übel - im Gegenteil. Eines Tages stand das Filmteam aus dem französischen Teil Kanadas, auf der Suche nach einem Münchner Original, wirklich vor der Tür des Kramerladens. "Wir saßen auch hier und haben Kaffee getrunken und ich habe gesagt: Ihr könnt von mir aus einen Film hier machen", erzählt Maier. Eine Bedingung hatte sie allerdings: "Meine Verflossenen besuche ich nicht noch einmal! So ein Umeinandergesuche, das mag ich nicht. Das ist der Laden, das bin ich und fertig." Und so konzentriert sich der Film ausschließlich auf die kleine alte Frau mit der schier unerschöpflichen Energie.

"Traudl ist eine echte bayerische Lady"

"Wir haben uns sofort in Traudi verliebt", erzählt Regisseurin Glorieux. Ein alter Artikel aus der Süddeutschen Zeitung hatte die Kanadierin auf den Laden in Trudering gebracht. "Die Tante hat alle(s) im Griff", hatte der Lokalteil zum 50. Geschäftsjubiläum getitelt. Die Regisseurin war von so viel Urigkeit sofort begeistert - ohne zu wissen, was ein Tante-Emma-Laden überhaupt ist.

Bald wimmelte es im Truchthari Anger von Lichtern, Kameras, Mikros und französischen Filmleuten. Kunden und Lieferanten wurden zu Statisten, sogar zum Schützenverein begleitete man die Protagonistin. "Traudl ist eine echte bayerische Lady, ohne dabei Stereotypen zu verkörpern. Sie ist zur selben Zeit traditionell und doch nicht traditionell", sagt Glorieux, die Maier liebevoll ihr "Filmsternchen" nennt.

Für die Kramerin war es die erste Filmrolle, schwer gefallen ist es ihr dennoch nicht: "Ich habe meine Arbeit gemacht - wie immer." Als dann der fertige Film im Herbst beim Filmschulfest München gezeigt wurde, habe sie sich aber doch in wenig erschreckt. "Vor allem die Szene, in der ich sage: 'Ich will lieber allein bleiben, einen alten Grantler brauche ich nicht.' Die Nachbarn haben sich gar nicht mehr eingegriegt." Maier lächelt verschmitzt.

Zum Schluss zeigt der Film noch einmal die kleine, alte Dame mit dem blonden Wuschelkopf, die auf einer Bank vor dem Kramerladen die Wolken beobachtet. "Träume habe ich immer gehabt", sagt Traudl Maier plötzlich. "Aber heute? Na! Eigentlich nur, dass alles so bleibt, wie es ist - ganz normal eben."

Le Monde selon Traudl, 2008, DV, Farbe, 13:44 Minuten. Mehr Informationen zum Film gibt es bei der HFF München.

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