Transrapid:Alles streng geheim

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Wäre der Münchner Transrapid wirklich sicherer als die Strecke im Emsland? Die Bedenken wachsen.

Bernd Kastner

Ein vom Eisenbahnbundesamt (EBA) veröffentlichtes Papier weckt neue Zweifel am Sicherheitskonzept für die Münchner Transrapidstrecke. War die Trasse zum Flughafen tatsächlich schon vor dem Unfall in Lathen mit einer verbesserten Leittechnik geplant?

Die Zukunft des Transrapids bleibt offen. (Foto: Foto: ddp)

Wenige Tage nach dem verheerenden Unglück, als auf der Versuchsstrecke ein Transrapid in einen Instandhaltungswagen fuhr und 23 Menschen starben, erklärte Bayerns Verkehrsminister Erwin Huber (CSU): Auf der Münchner Trasse seien alle Fahrzeuge, also auch die Instandhaltungswagen, in das Betriebsleitsystem integriert, anders als in Lathen und in Shanghai. Diese Lücke wird mit verantwortlich gemacht für den Unfall. In München, so Huber, sei so etwas ausgeschlossen.

Zweifel an Hubers Glaubwürdigkeit

Die Zweifel an Hubers Glaubwürdigkeit stützt Martin Runge, Landtagsabgeordneter der Grünen und vehementer Magnetbahngegner, auf den Entwurf für die Normvorschriften künftiger Transrapidstrecken. In diesen ,,Ausführungsgrundlagen'', vergleichbar einer DIN-Norm, sind die ,,allgemein anerkannten technischen und betrieblichen Anforderungen'' an ein Magnetbahnsystem festgehalten.

Dieses annähernd 1000 Seiten umfassende Werk, das der Süddeutschen Zeitung in Auszügen vorliegt, wurde nicht vom EBA selbst erarbeitet, sondern von Fachausschüssen, deren organisatorischer Chef der Transrapid-Abteilungsleiter im EBA ist. In diesen Ausschüssen sitzen laut EBA rund 50 Vertreter von Betreibern und Behörden, aus Wissenschaft und Industrie.

Veröffentlicht wurden die ,,Ausführungsgrundlagen'' vom EBA Ende April 2006 im Internet als Entwurf. Die Fachwelt hatte drei Monate lang Gelegenheit, Kommentierungen und Verbesserungsvorschläge abzugeben. Derzeit, so eine EBA-Sprecherin, werde an der Endfassung gearbeitet. Diese ,,Ausführungsgrundlagen'' seien ,,aktueller Stand der Technik'', auch wenn sie ständig weiterentwickelt würden.

"Sicherheit nicht vollständig vorhanden"

In dem Papier findet sich unter anderem folgende Erläuterung: ,,Im Instandhaltungsbetrieb ist die technische Sicherheit nicht vollständig vorhanden. Die Verantwortung für das Fahrzeugmaterial sowie für die Einwahl dieser Betriebsarten und die Fahrtvorgaben trägt das Betriebs- bzw. Instandhaltungspersonal gemäß der zu erstellenden Vorschriften.''

Für Runge ist dies ein ,,starkes Indiz'' dafür, dass das Münchner Sicherheitskonzept bis zum Lathen-Unfall gar kein integriertes Leitsystem vorgesehen habe. Dieses wurde laut Bahn im Mai 2005 beim EBA zur Prüfung eingereicht, also ein Jahr vor Veröffentlichung des Norm-Papiers.

Warum, fragt Runge, sollte man ein Jahr nach Verfassen des Münchner Sicherheitskonzepts zu laxeren Normen zurückkehren? Es beschäftige sich mit dem Transrapid schließlich immer derselbe kleine Kreis von Experten. Runge fordert einen Beweis für die Behauptungen von Bahn und Huber.

Dieser Beleg liegt bislang nicht vor. Statt dessen entgegnet Hubers Sprecherin Doris Ausfelder, dass in dem Norm-Papier nur die Mindestanforderungen festgelegt würden. Im Münchner Konzept gehe man darüber hinaus. Diese Darstellung wird von einem hochrangigen Magnetbahn-Experten, der namentlich nicht genannt werden will, gestützt.

Es sei durchaus üblich, auch in anderen Bereichen, dass ein Betreiber die Normen übertreffen wolle. Zu technischen Details des Münchner Konzepts wollte sich Hubers Sprecherin Ausfelder, wie auch die Bahn als Betreiberin, nicht äußern. Als Begründung, warum auch Auszüge dieses Sicherheitskonzepts weiterhin unter Verschluss bleiben, nannte Ausfelder ,,Sicherheitsaspekte'', wollte diese aber nicht konkretisieren. Siemens wiederum erklärt die Geheimhaltung mit Wettbewerbsdruck - obwohl die Münchner Strecke derzeit die einzig geplante ist.

Zur Finanzierungsdebatte versicherte das Ministerium erneut, dass der gewöhnliche Nahverkehr nicht unter den Transrapid-Ausgaben leide. Zwar stammten die 2005 erneut vom Landtag bestätigten 55,4 Millionen Euro aus dem Nahverkehrstopf.

Runge: "Ein Lügenmärchen"

Doch dabei handle es sich laut Ausfelder um einen finanziellen Puffer, der durch verzögerte Ausgaben aufgrund von Planungs- oder Bauverzögerungen entstanden sei, also nicht zu Lasten von Bus und Bahn gehe. Die mögliche Aufstockung des bayerischen Transrapid-Beitrags solle mit Geldern aus einem Zukunftsprogramm bezahlt werden, nicht aus dem Nahverkehrstopf.

Ein ,,Lügenmärchen'' nennt Runge diese Argumentation. Laut aktuellem Haushaltsentwurf sollen die derzeit vorgesehenen gesamten 185 Transrapid-Millionen zu Lasten des Nahverkehrstopfes gehen. Und die fehlten dann bei Bussen oder Bahnen. Runge: ,,Wie oft wurde von der Staatsregierung gesagt: Für dieses oder jenes Nahverkehrsprojekt haben wir kein Geld.''

© SZ vom 14.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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