Tour durch U-Bahn-Tunnel:Brüder nicht zum ersten Mal im Schacht

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Heimweg durch den Schacht der U3 endet tödlich: Elektriker wird nach Kneipentour von einem Wagen der U-Bahn erfasst und mitgeschleift.

Claudia Wessel

Tödliche Verletzungen hat ein 23-jähriger Mann erlitten, der am Freitag gegen 23.55 Uhr von einer U-Bahn im Tunnel zwischen den Haltestellen Forstenrieder Allee und Basler Straße erfasst und mitgeschleift wurde.

Im U-Bahn-Schacht gab es vor dem Zug der U3 keine Rettung. (Foto: Foto: ddp)

Gemeinsam mit seinem 19-jährigen Bruder war er nach einer Kneipentour in den Tunnel gestiegen, um auf diesem Wege nach Hause zu kommen. Der 23-jährige Elektriker lebte mit seinen Eltern und drei Geschwistern in einer Wohnung in der Züricher Straße.

Sein 19-jähriger Bruder, der als Maler arbeitet, wohnt hingegen in einer Gemeinde im Landkreis Weilheim-Schongau. Er war nur für einen Wochenend-Besuch nach München gekommen.

Warum fuhren sie nicht zu ihrer Haltestelle?

Nach einer Kneipentour durch die Innenstadt landeten die beiden Brüder an der U-Bahn-Haltestelle Forstenrieder Allee. Ob sie in der dortigen Gegend ebenfalls eine Gastwirtschaft besucht haben, konnte die Polizei noch nicht ermitteln.

Ebenfalls ungeklärt ist, warum sie nicht gleich zu ihrer Haltestelle Basler Straße weiterfuhren. Da der jüngere Bruder unter Schock steht und ebenso wie die U-Bahnfahrerin vom Kriseninterventionsteam (KIT) betreut werden musste, verzichtete die Polizei bislang auf eine ausführliche Vernehmung.

Auch um die Eltern und die anderen Geschwister des Getöteten kümmern sich mittlerweile die Experten des KIT.

Bekannt ist inzwischen, dass dieser Spaziergang im Tunnel nicht der erste war, den die beiden Brüder gemeinsam unternahmen. Nach Angaben der Polizei seien sie "schon öfters" auf den U-Bahn-Schienen unterwegs gewesen.

Ob es eine Methode war, sich das Warten auf die nächste U-Bahn zu ersparen, oder ob die Brüder aus Abenteuerlust den lebensgefährlichen Weg nahmen, ist allerdings noch unklar.

"Kein Selbstmordversuch"

Nach den bisherigen Ermittlungen der Polizei gibt es jedoch keine Anhaltspunkte, dass die beiden jungen Männer die Absicht hatten, sich das Leben zu nehmen.

Dagegen spricht auch, dass der 23-Jährige noch einen Rettungsversuch unternommen hatte. Beim Herannahen der U-Bahn hatte er sich an die Tunnelwand herangedrückt.

Dort, an einer so genannten Distanzstange etwa 150 Meter im Inneren des Tunnels, sah die 39-jährige U-Bahnfahrerin der Linie U3 den Mann stehen. Den Bruder bemerkte sie erst, als er sich nach dem Unglück der Unfallstelle näherte.

Darüber hinaus ist bekannt, dass die Brüder zunächst irrtümlich stadteinwärts durch die U-Bahn-Röhre gegangen waren. Noch im Tunnel bemerkten sie das Versehen und kehrten um.

In der völligen Dunkelheit hätten sie sich dann aus den Augen verloren, gab der jüngere Bruder an. Dessen Leben wurde allem Anschein nach deshalb gerettet, weil er vor seinem Bruder ging, als die U-Bahn den Tunnel von der Haltestelle Forstenrieder Allee in Richtung Machtlfinger Straße durchfuhr.

Rettungsversuche scheiterten

Dem Elektriker, dessen Blutalkoholwert noch nicht ermittelt wurde - bei seinem Bruder hat man einen Atemalkohol von ein Promille gemessen - gelang es nicht, sich durch das Kauern an die Tunnelwand zu retten.

Obwohl die Fahrerin sofort eine Schnellbremsung eingeleitet hatte, brachte sie den Zug nicht mehr rechtzeitig zum Stehen. Der Mann wurde von der U-Bahn erfasst und etwa 30 Meter weit mitgeschleift. Dabei erlitt er so schwere Verletzungen, dass er noch an der Unfallstelle starb.

Während man über die Motivation der beiden jungen Männer für ihren gefährlichen Spaziergang nur spekulieren kann, steht fest, dass der oberirdische Weg nach Hause keineswegs länger oder komplizierter gewesen wäre.

Sie hätten nur an einer Hauptstraße entlang gehen müssen, teilte Polizeisprecher Markus Dengler mit. Auch ist sicher, dass die U-Bahn noch fuhr - wegen des Faschingswochenendes sogar rund um die Uhr. Zum Zeitpunkt des Unfalls verkehrte die U3 sogar noch in einer Frequenz von zehn Minuten.

© SZ vom 27.2.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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