Tierschutz und Massentierhaltung:Landwirte sind überfordert - und die Kontrolleure auch

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Letztlich haben vor allem die Verbraucher die Macht, bessere Bedingungen durch faireren Konsum zu definieren - aber nur, wenn sie nicht nach "billig" streben, wie ein Leser heraushebt

"Gier frisst Hirn" vom 12. August:

Billigfleisch und die Folgen

Leider viel zu selten werden so emotional besetzte Themen wie Massentierhaltung und Tierschutz so sachlich und richtig wiedergegeben wie in diesem Artikel. Sowohl dem Landwirt Hans Foldenauer, als auch dem Journalisten Christian Sebald gilt mein ehrlicher Respekt. Nach fast 40-jähriger tierärztlicher und amtstierärztlicher Tätigkeit mit Schwerpunkt Rinderhaltung und langjähriger Vorstandstätigkeit im Landesverband der beamteten Tierärzte kann ich nur bestätigen: Genau so, wie von Herrn Sebald journalistisch wiedergegeben, stellen sich die Probleme für Milchvieh haltende Betriebe leider dar.

Im ohnehin landwirtschaftlich noch klein strukturierten Bayern finden Tierschutzverstöße in kleinen, mittleren und großen Milchvieh haltenden Betrieben statt, und wie von Herrn Foldenauer richtig dargestellt, sind sie häufig eine Folge ständiger Überforderung der Landwirte und deren Familien. Trotzdem sollte man sich sehr vor Verallgemeinerungen hüten. Der weitaus größte Teil unserer engagierten Bauern legt größten Wert auf die tierschutzgerechte Haltung ihres Milchviehs und investiert weit mehr als eine 40-Stunden-Woche in die sachgerechte Betreuung des Tierbestandes.

Das Unwort der letzten Jahrzehnte war für mich "wachse oder weiche", mit dem man den Klein- und Kleinstbetrieben die Existenzberechtigung absprach. Ein Jammer, wenn man sieht, dass dieser "Vorgabe" bis zu 50 Prozent unserer Betriebe zum Opfer gefallen sind! Es stellt sich da natürlich die Frage: Wer hat diese Entwicklung zu verantworten? Und da möchte ich neben vielen schwer vermittelbaren bis unsinnigen Rechtsvorschriften aus Berlin und Brüssel vor allem auf den sogenannten mündigen Verbraucher verweisen, der zwar Tierschutz und Tierwohl fordert, aber wenn es gilt, dieser Forderung auch Taten folgen zu lassen, doch zu Billigfleisch beim Discounter greift. Aber nicht nur Fleisch, sondern auch Wurst, Milch, Käse, Butter werden im Rundumschlag neben Textilien und Werkzeug in den Einkaufswagen gelegt. Hauptsache billig! Diese "Wertschätzung" von Lebensmitteln durch eine Vielzahl der Verbraucher ist der entscheidende Grund, warum viele Bauern ihre berufliche Überlebenschance nur mehr in der Steigerung der Produktionsmenge sehen. Wollen wir das?

Der ungebrochene Trend zum Einkauf billiger Lebensmittel kann aber in keinem Fall tierschutzwidrige Handlungen in Milchviehbeständen rechtfertigen! Natürlich wird nach den Geschehnissen im Allgäuer Ort Bad Grönenbach sofort der Ruf nach verschärften, umfassenden amtstierärztlichen Kontrollen laut. Nur: Mit welchem Personal sollen die im Durchschnitt etwa 2000 tierhaltenden Betriebe der 71 bayerischen Landkreise kontrolliert werden?

Im Frühjahr 2016 forderte der Oberste Bayerische Rechnungshof eine "Aufgabenkritik und Personalbedarfsberechnung" für die Veterinärämter der Landkreise vom zuständigen bayerischen Umweltministerium. Ein Ergebnis dieser Berechnung ist mir bisher nicht bekannt. Auf den öffentlichen Druck nach dem "Bayern-Ei"-Skandal kam es zur Gründung der unter Kollegen sehr umstrittenen KBLV (Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen), deren Effektivität sich noch nicht erwiesen hat, insbesondere auch deshalb, da die Zentralisierung auf die Standorte Kulmbach und Erding äußerst zeitaufwändige und ineffektive Fahrstrecken zur Folge hat.

Nun sollen also in der Konsequenz des Geschehens in Bad Grönenbach der KBLV erneut 25 Stellen zugewiesen werden, um 87 große Milchviehbestände und zwölf Schweine haltende Betriebe zu kontrollieren.

Ich darf nochmals an die Ausführungen des Milchbauern Foldenauer erinnern und bestätigen: Tierschutzverstöße haben wenig mit der Betriebsgröße, sondern mit der Überlastung einzelner Landwirte zu tun. Die Veterinärbehörden der Landkreise kommen der Vielzahl an Aufgabenstellungen mit ihrer ungenügenden Personalausstattung nicht mehr nach. Wäre es nicht zielführender im Sinne einer Verbesserung der Tierschutzüberwachung, den Kreisverwaltungsbehörden endlich bedarfsgerecht Personal zuzuweisen?

Bereits eine halbe Amtstierarztstelle pro Landkreis, die ausschließlich für die Überwachung und Sicherstellung tierschutzgerechter Haltungsbedingungen eingesetzt würde, könnte ein bis zwei Kontrollen pro Arbeitstag das heißt 230 bis 460 Kontrollen pro Jahr sicherstellen, während die 25 Stellen der KBLV nur für die Überwachung von circa 100 Betrieben vorgesehen sind. Dem stehen rechnerisch bei 71 Landkreisen mindestens 16 330 Kontrollen durch die örtlichen Veterinärämter gegenüber. Zentralisierungen sind nicht immer ein Vorteil! Dr. Konrad Renner, Ltd. Veterinärdirektor a.D., Schondorf am Ammersee

Wenn Tiere weinen könnten ...

Wieder einmal hat sich der Spruch: "Wenn Tiere weinen könnten, gäbe es einen Ozean mehr" durch die grausamen Tierquälereien in einem Milchviehbetrieb im Allgäu bedauerlicherweise bestätigt. Hans-Joachim Feiner, Stephanskirchen

© SZ vom 29.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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