The Garden Table:Wer im Glashaus isst

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Der Sternekoch Tohru Nakamura vom Werneckhof kocht für kurze Zeit in einer Gärtnerei in Johanneskirchen. Seine Gäste sollen einmal sehen, woher er seine Rohstoffe bezieht - japanische Schlangengurke zum Beispiel

Von Franz Kotteder

Der berühmte "ergiebige Dauerregen" aus dem Wetterbericht ist eigentlich nichts, was einen Gärtner schrecken kann, im Gegenteil. Immer noch besser als Dürre. Nur an diesem Abend kommt der viele Regen doch ein bisschen ungelegen für Johannes Schwarz. Es sind nämlich exakt 27 Gäste in seine Johanneskirchner Gärtnerei gekommen, um "The Garden Table" beizuwohnen. Das ist teilweise eine feuchte, im Verlauf des Abends auch regelrecht kalte Angelegenheit, denn Dauerregen lässt ein Glashaus halt doch schnell abkühlen. "So eine Hitze wie am Montag wäre aber auch nicht gut", sagt Gärtner Schwarz, "da hatten wir hier beim Aufbau um die 39 Grad."

Schwarz hat sein Gewächshaus für "The Garden Table" zur Verfügung gestellt, und das Team des Werneckhofs um Sternekoch Tohru Nakamura kocht hier noch bis zum Sonntag täglich ein Sieben-Gänge-Menü. "Wir wollten unseren Gästen auch mal zeigen, wo die Produkte für unsere Gerichte wachsen", sagt Nakamura, "und außerdem sind wir sowieso oft hier." Zweimal die Woche, dienstags und freitags, kommen er oder einer seiner Köche hierher, um selbst zu ernten, was sie für ihre Arbeit brauchen.

Danach wird dann auch die Karte variiert, wenn es drauf ankommt. "Manchem kann man hier beim Wachsen fast zusehen", sagt Nakamura, "und wenn das dann reif ist, pressiert es."

Johannes Schwarz ist ein ausgesprochen experimentierfreudiger Gärtner, und das kommt den Erfordernissen eines Sternerestaurants natürlich sehr entgegen. Nakamura wünschte sich zum Beispiel eine japanische Schlangengurke für ein Gericht - kein Problem für Schwarz, dann sät er eben Schlangengurke aus. Nakamuras Gäste bekommen sie gleich zweimal zu sehen. Zuerst in der Erde als mannshohes Gewächs mit stacheligen Früchten und hübschen gelben Blüten - Nakamura erzählt dazu bei einem Glas Rosé-Champagner, was man damit machen kann. Und ein bisschen später dann auf dem Teller, als hübsche, knackig-frische Scheiben mit Blüten, in deren Mitte ein Tropfen aus zitroniger Creme glänzt, quasi als Nektar.

So etwas kann den Genuss durchaus noch einmal steigern. Die Gäste, die für den Abend mit Weinbegleitung immerhin stolze 295 Euro zahlen, sind begeistert. "Es ist wirklich fantastisch, wie viele verschiedene Nuancen man da herausholen kann", staunt eine Dame an der langen Tafel, "nicht nur aus den Gemüsesorten, sondern auch aus den Blüten." Nakamura ist sowieso ein Zauberer, was die Vielfalt an Aromen und Geschmacksrichtungen angeht, seine Teller sind obendrein auch optisch ein Genuss, nicht nur wegen der farbenfrohen Blüten.

So sehen Gurken aus. Jedenfalls beim "Garden Table" des Werneckhofs. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Gänge, die etwa mit "Gurken" und "Eingelegte Tomaten 2015" betitelt sind, sind ein höchst abwechslungsreiches Geschmacksabenteuer, die Langustine von erstaunlicher Zartheit und zum Rind, Spezies Rubia Gallega, passt die "Mexican Mint Béarnaise"-Soße, bei der Estragon durch eine Tagetes-Art ersetzt wird. Japanische Einflüsse finden sich in jedem Gang, und die vielen kleinen Details ergeben zusammen ein perfekt durchkomponiertes Bild, wie man es auch in sehr gehobenen Restaurants nur selten findet. Keine Frage: Tatsächlich sind Tohru Nakamura und sein Team derzeit in Hochform. Was man vom Gärtner Schwarz leider nicht behaupten kann: Er hat sich beim Fußballspielen mit dem Sohn am Bein verletzt und humpelt jetzt auf Krücken durch den Abend: "Aber bis zur Tomatenernte bin ich wieder fit!"

Zum Abschluss, bevor man wieder hinaus in den Regen muss, gibt es noch eine Art Glückskekse, die aber wesentlich besser schmecken als ihre Vorbilder und anders heißen: "Witzkekse". Denn in ihnen verbirgt sich jeweils ein blöder Spruch: "Fällt der Bauer voll vom Trecker, war der Korn mal wieder lecker", etwa, oder: "Regen im Mai, April vorbei!" Angesichts des Dauerregens wäre auch denkbar: "Wer im Glashaus isst, soll nicht mit Steinen werfen!" Alles andere wäre bei ergiebigem Dauerregen auch ein schlechter Scherz.

© SZ vom 15.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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