Technik für die Zukunft:Warten auf Signale von Rosetta

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Aus Oberpfaffenhofen ins Weltall: der Landeapparat Philae für die ESA-Sonde Rosetta. (Foto: AFP/ESA Medialab)

Münchens Weltraumforscher arbeiten nicht nur an Mini-Satelliten und Robotern, sie sind auch an der ESA-Mission beteiligt und werten Daten von der Landung auf dem Kometen "Tschuri" aus

Von Jakob Wetzel, München

Diese Technik ist längst keine Science Fiction mehr: Weltweit seien bereits mehr als 400 "CubeSats" gestartet worden, sagt Martin Langer. Der Doktorand am Lehrstuhl für Raumfahrttechnik der Technischen Universität München (TU) betreut ein Projekt, in dem derzeit etwa 60 Studierende Miniatursatelliten bauen. Ein "CubeSat" ist in seiner kleinsten Variante ein Würfel mit einer Kantenlänge von nur zehn Zentimetern; dank moderner Technik könne man darin aber fast alles unterbringen, was auch in einen großen Satelliten passe, sagt Langer.

Anders als bei ihren großen Brüdern sind die Kosten für die kleinen Satelliten viel geringer. Mit ihnen kann man laut Langer neue Technik also viel günstiger im Weltall testen. Und wenn etwas schief gehe, wenn etwa eine Rakete beim Start explodiere, dann seien die Verluste nicht gleich so herb. Gerade für die kommerzielle Raumfahrt, die derzeit besonders in den USA einen Boom erlebt, eröffne das ganz neue Möglichkeiten.

Für die Studenten der TU sind die Mini-Satelliten dagegen vor allem ein idealer Einstieg in die Praxis. "Für uns ist der Ausbildungsgedanke dabei ganz wichtig", sagt Langer. Einen "CubeSat" haben die Studenten bereits selbst ins All gebracht: Seit November 2013 funkt der Satellit "First-Move" - das steht für "Munich Orbital Verification Experiment" - seine Position zur Erde, beladen mit einer Kamera und experimentellen Solarzellen. Sein Nachfolger "Move-II" wird gerade konstruiert; er soll wiederum neuartige Solarzellen ins All bringen, außerdem zum Beispiel eine neue Technik erhalten, um Satellitenklappen zu öffnen.

Die "CubeSats" sind nur eines von zahlreichen Projekten, mit denen Studenten und Forscher in München an der Zukunft der Raumfahrt basteln. An der TU zum Beispiel haben Wissenschaftler jüngst "Virtual Habitat" entwickelt, eine Software, die simuliert, wie Lebenserhaltungssysteme bei längeren Missionen im Weltall funktionieren - also Systeme, die etwa aus menschlichen Ausscheidungen wie Urin und Kohlenstoffdioxid Trinkwasser erzeugen können. In einem weiteren Simulator der TU, dem sogenannten "Racoon-Lab", können Forscher üben, Satelliten zu warten und Weltraumschrott, der um den Planeten fliegt, zu entfernen.

An Weltraumtechnik gefeilt wird auch an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg. Hier experimentieren Forscher etwa mit "Miriam-2", einem "Ballute", einem Überschall-Bremsballon, der beim Absinken auf die Oberfläche die Atmosphäre des Planeten Mars analysieren soll. Zuvor wollen die Forscher das Gerät in der Erdatmosphäre testen. Und an der Hochschule München haben Wissenschaftler zuletzt etwa eine frequenzselektive Platte entwickelt, mit deren Hilfe handelsübliche Parabolantennen für die Satellitenkommunikation eine größere Bandbreite verarbeiten können. Sie können dafür ein eigenes Testlabor nutzen, in dem die Hochschule Weltraumbedingungen simulieren kann.

Viele Projekte treibt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen voran. Hier haben Wissenschaftler zum Beispiel "Rollin' Justin" entwickelt, einen menschenähnlichen Roboter, der komplexe Aufgaben selbständig erledigt und dabei Werkzeuge für Menschen benutzen kann. Er soll unter anderem in der Raumfahrt zum Einsatz kommen.

Darüber hinaus haben Forscher hier auch einen Simulator entwickelt, mit dem man üben kann, Weltraumfahrzeuge einander anzunähern und aneinander anzukoppeln. So können zum Beispiel Missionen geübt werden, bei denen steuerlos gewordene Satelliten im All wieder auf Kurs gebracht werden: Dazu docken dann kleine Sonden an den Satelliten an - schon das ist ein Novum -, bringen ihn wieder in die richtige Umlaufbahn und halten ihn dort. Telekommunikationsfirmen könnten so Satelliten länger nutzen und damit Geld sparen.

Das DLR war auch an der Rosetta-Mission der europäischen Weltraumorganisation ESA beteiligt: Die Forscher entwickelten den Landeapparat Philae, der 2015 auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko , "Tschuri" genannt, gelandet war und dort erst vor wenigen Tagen in einer Felsspalte wiederentdeckt worden ist.

Ende September soll die Raumsonde Rosetta dann selbst auf dem Kometen landen - für ein anderes Forscherteam in der Region hat deshalb jetzt die aufregendste Phase ihres Projekts begonnen. Bernd Häusler und Tom Andert von der Universität der Bundeswehr berechnen anhand der Kommunikationssignale dieser Sonde deren Geschwindigkeit und ziehen daraus Rückschlüsse darauf, welche Kräfte auf sie wirken, etwa durch das Schwerefeld des Kometen. So bilden sie Hypothesen über den Aufbau des Himmelskörpers - und je näher die Sonde dem Kometen kommt, desto exakter werden diese Messungen.

"Es wird jetzt jeden Tag spannender", sagt Andert. Bis zur Landung. Denn wenn die Sonde erst am Boden ist, werde der Datenstrom wohl abreißen. Bei der Landung könnten die Solarzellen beschädigt werden, fürchtet der Wissenschaftler. Oder die Antenne zeige dann womöglich in eine falsche Richtung.

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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