Technik beiseite:Hör auf zu zählen und tanze

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Beim Tango verlässt sich die Frau ganz auf ihren Partner. Und der verlässt sich am besten ganz auf sein Gefühl.

Violetta Simon

Eine Frau, ein Mann. Sie stehen auf der Tanzfläche, umringt von Paaren in Tanzhaltung. Sie alle sind gekommen, um bei Johanna Schneider und Jürgen Krebes Tango zu lernen. Doch sie sollen ihn auch begreifen. Dazu erklärt Jürgen zwei Worte: "Umarmung. Zuneigung". Dann zeigen die beiden Tanzlehrer von Tango maldito, was damit gemeint ist. Und schon bald versteht man diesen Tanz ein bisschen besser.

Umarmung. Zuneigung. Zwei schöne Worte für eine schöne Sache. Sie beschreiben kurz und prägnant die Aufgabe des Mannes bzw. der Frau beim Tango. Der Mann hält die Frau nicht einfach in seinen Armen. Er umarmt sie. Die Frau ist dem Mann zugeneigt, und zwar in einem Maße, dass es an Selbstaufgabe grenzt.

Der Mann bestimmt, wo es lang geht

Aber nur beinahe: Während sie auf den Fußballen steht und sich mit dem Oberkörper an ihren Partner lehnt, bestimmt sie zugleich die Distanz zu ihm, indem sie die Spannung in den Armen aufrecht erhält. Diese Spannung hat einen ganz bestimmten Sinn: Nur so kann sie den Druck spüren, der ihr sagt, worauf der Mann hinaus will. Und reagieren, indem sie mitgeht.

Wenn Johanna Schneider auf Jürgen Krebes reagiert, so tut sie das in einer Weise, als wüsste sie längst, was ihr Partner im Schilde führt. Doch jeder ihrer Bewegungen geht ein Impuls voraus. Und der kommt von ihm.

Der Mann sagt, wo es lang geht, und daran gibt es nichts zu rütteln. Ein leichter Druck von vorne oder an die Seite - die Frau nimmt es wahr und folgt ihm. Dabei entsteht eine kleine Verzögerung. Beim Tango darf, ja soll die Frau langsam sein. Die Zeit benötigt sie, um den nächsten Schritt zu erkennen. Dazu muss sie die Impulse spüren, die der Partner ihr gibt, muss sich hineinfühlen. Deshalb tanzen viele Frauen den Tango zunächst mit geschlossenen Augen.

Fühlen statt zählen

"Einszwodreivier" - auch wenn im Anfängerkurs der Takt noch vorgezählt wird: Entscheidend ist nicht der Schritt, sondern das Gefühl für die Musik. Die entrückte Versunkenheit eines Paares darf also durchaus als Zeichen gesehen werden, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Hinhören, sich in die Musik hineinfühlen, Bewegung entstehen lassen. Das hört sich beinahe ein wenig esoterisch an. Und in der Tat ist der Unterricht von Johanna Schneider und Jürgen Krebes mitunter von der Feldenkraismethode geprägt.

Diese Verbindung macht durchaus Sinn: Feldenkrais fördert die Fähigkeit, eine Absicht einfach, aber auf ästhetische Weise in Handlung umzusetzen. So entsteht eine Verbindung zwischen Denken, Fühlen und Handeln. Dies gilt auch für den Tango, bei dem das Handeln im Idealfall nur noch vom Fühlen geleitet wird.

"Zähle nicht bis vier!", appelliert Jürgen Krebes am Ende der Einführung an die männlichen Tanzschüler. "Tanze dreimal eine Wiege, meinetwegen achtmal einen Schritt nach vorn oder sechsmal am Platz. Halte dich nicht streng an die gelernten Schrittfolgen, die lenken nur vom Wesentlichen ab!"

Und so umarmen die Tänzer ihre Partnerin, setzen sich in Bewegung, geben die Richtung vor. Die Frauen neigen sich ihnen zu, schließen die Augen, folgen ihnen, kaum merklich, mit einer kleinen Verzögerung. Schön. Langsam.

Kurse von Tango Maldito finden freitags im "La Tierrita", Regerstraße 27, von 18.00 bis 19.30 Uhr statt. Tel: 089/48 07 149. Noch bis zum 22. August gibt es zusätzlich jeden Montag Tango auf der Praterinsel mit Einführungskurs.

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