Tauschgeschäfte:Öfter mal was Altes

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Mit voller Tüte geht es hin, und mit voller Tüte wieder nach Hause: Wer zu einer Kleidertausch-Party geht, braucht sich um Preise keine Gedanken zu machen. Nur allzu gierig darf man nicht sein

Von Eva Casper

Ich schmeiße nie etwas weg", sagt Hannelore Schmitz und probiert die himmelblaue Jacke an, die sie gerade aus dem Klamottenstapel gezogen hat. "Letztens habe ich am Stachus eine Frau gesehen, die meine alten Schuhe anhatte." Seit mindestens sieben Jahren geht Schmitz, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, regelmäßig zur Kleidertauschbörse im Eine-Welt-Haus in der Schwanthalerstraße. Hauptsächlich zum Kaffeetrinken mit Freundinnen. Und um ihren Kleiderschrank auszumisten: "Andere können die Sachen ja noch gebrauchen." Für sich selbst sucht sie nur selten etwas. Die himmelblaue Jacke ist ein Zufallsfund. Sie zieht ein kleines Bündel aus der rechten Tasche und faltet es auseinander: "Sogar mit Kapuze!" Auch ihre Freundin hat schon eine Jacke unter den Arm geklemmt: "Den Reißverschluss nehme ich raus und nähe ihn in eine andere Jacke. Das darf man doch, oder?"

Seit zwölf Jahren findet die Kleidertauschbörse statt, dreimal im Jahr, jeweils im März, Juli und November mit 200 bis 300 Besuchern. Über drei große Räume verteilt stapeln sich auf langen Tischen Hosen, Jacken, Pullover und Hemden. "Alles noch sehr gute Qualität", versichert Organisator Uwe Pohl. Nicht mehr tragbare Sachen seien nur selten dabei. Vor der Kleiderabgabe bildet sich eine lange Schlange. Manche haben nur eine kleine Plastiktüte voll. Andere bringen mehrere Trolleys und überquellende Rucksäcke mit. Eine Mindestabgabemenge gibt es nicht. Nur die Mitnahme ist beschränkt: "Maximal zwei große Plastiktüten", sagt Pohl. Manche Besucher kennen sonst kein Maß. Früher hätten sich manche kiloweise Klamotten eingepackt. "Dann sind sie nach Hause gefahren und noch mal wiedergekommen." Um das zu verhindern, gibt es jetzt Stempel. Wer Kleidung abgegeben hat, bekommt einen Stern auf die Hand und darf stöbern gehen. Wer das Haus verlässt, bekommt einen Fußtritt - natürlich auch nur in Stempelform - und darf sich nicht noch mal etwas holen. "Es soll ja jeder etwas bekommen", sagt Pohl. Übrig bleibt trotzdem immer etwas. Die Reste gehen dann an die Flüchtlingshilfe Diakonia.

Auch mit Kleidung lässt sich Gutes für das Klima tun, sagt Ebersbergs Klimaschutzmanagerin Lisa Rütgers. Etwa durch den Besuch von Kleidertauschbörsen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Bei der Kleidertauschbörse herrscht Wühltischatmosphäre. Die Helfer - Ehrenamtliche und Sozialdienstleistende - flitzen durch das Haus und laden waschkorbweise Kleider auf den Tischen ab. Die neu angekommene Ware wird sofort begutachtet. Neben H&M und C&A gibt es auch Markenkleidung von Esprit, Puma und Jeans von Designer Wolfgang Joop. Wer will, kann sich sogar Arbeitskleidung von der Deutschen Post mitnehmen, mit fein gesticktem Logo. Eine Gruppe junger Frauen diskutiert den Coolness-Faktor ihrer Fundstücke. "Das ist so eine geile Hose!", lobt eine Frau ihre neuen schwarzen Jeans.

Im Keller ist eine Spiegelwand, wie es sie in Tanzstudios gibt. Dort wird zurechtgezupft, begutachtet und anprobiert. Männer sind hier in der Minderheit. Ein Rentner wartet geduldig, während seine Frau passende Kleidung für die Enkelkinder sucht. Fünf und neun Jahre alt sind sie. "Die wachsen ja alle drei Monate aus ihren Sachen raus. Und so ein T-Shirt aus der Kinderabteilung kostet mindestens 15 Euro. Wer kann sich das leisten?" Sparsamkeit ist aber nur ein Grund, warum die Besucher zur Tauschbörse gehen. Häufig sei es eine Mischung aus verschiedenen Faktoren: Nachhaltigkeitsdenken, Nächstenliebe, Kapitalismuskritik oder auch ganz schlicht die Unlust am Shoppen, sagt Katharina Ohl, Studentin für Volkskunde und europäische Ethnologie an der LMU. Sie schreibt gerade ihre Masterarbeit über Kleidertauschbörsen in München. Das Prinzip habe es schon im 19. Jahrhundert gegeben. Damals sei die Idee aus einem Mangel heraus entstanden, sagt sie. Die heutigen Kleidertauschbörsen dagegen eher aus einem Überfluss: zu viele Kleidungsstücke, die zu schnell weggeworfen werden. Viele Besucher verweigern sich diesem Neukaufwahn. Aber bei manchen stecke auch eine gewisse Schnäppchenjäger-Mentalität dahinter, sagt Ohl und blickt auf die blauen XL-Ikea-Tüten einiger Besucher.

Man müsse schon aufpassen, dass man nicht zu viele Sachen einpackt, die man dann doch nie anzieht, sagt einer der wenigen Männer an diesem Sonntag. Er habe von einem Bekannten von der Tauschbörse erfahren. "Ein echter Tipp für Überlebenskünstler. Man wird seinen ganzen Krempel los und bekommt dafür echt schöne Sachen." Sein Highlight des Tages: ein Kaschmirpullover.

Das Tausch-Prinzip kommt bei den Münchnern gut an. Die Besucherzahl im Eine-Welt-Haus hat sich in den vergangenen Jahren verdoppelt. Auch die Kleidertausch-Börse der Umweltorganisation Green City ist seit ihrer Gründung 2009 gewachsen. Sechs bis acht Mal im Jahr findet sie statt. Früher habe man die Veranstaltung locker mit drei Helfern ausrichten können, sagt Organisatorin Lena Reitinger. Heute kann es mit fünf schon stressig werden. Die Besucherzahlen pendeln zwischen 150 und 300. Hauptsächlich kämen Studenten zwischen 20 und 35 Jahren, so Reitinger. Im Eine-Welt-Haus seien es eher ältere Besucher, sagt Pohl. Andrea Hagen, die Gründerin der Tauschbörse im Eine-Welt-Haus, organisiert deswegen auch noch spezielle Kleidertauschpartys, mit Betonung auf Party. Für junge Menschen, die sich bei Musik und lockerer Atmosphäre einkleiden. Knapp 200 Leute seien zu dem ersten Termin gekommen. Am 9. Januar soll die Veranstaltung zum dritten Mal stattfinden.

Hannelore Schmitz und ihre Freundinnen bleiben ihrer Kleidertauschbörse treu: "Das ist doch eine tolle Sache!" "Ja, nur manche Leute sind so gierig", sagt ihre Freundin. Sie zieht ein lila Strickkleid aus dem Kleiderstapel. "Das wäre doch etwas für deine Enkelin." Sogar das Preisschild hängt noch drin: reduziert auf sieben Euro. Schmitz kann es umsonst mitnehmen.

© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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