"Tatort"-Public-Viewing in München:Zwei Helle und ein Mord

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Gemeinsam mehr vom "Tatort": Viele Fans des Kultkrimis gehen in eine Kneipe zum Public Viewing. Auch in München wird öffentlich gerätselt. Ein Besuch in zwei "Tatort"-Lokalen.

Rebecca Brielbeck

Ein gellender Schrei, dann fällt ein Schuss. Eine Frau liegt blutüberströmt auf dem Boden. Daneben ein Revolver. Stille. Vom Mörder fehlt jede Spur. Das Publikum ist schockiert: Dieser niederträchtige Mord schreit nach den Kommissaren der beliebtesten Krimi-Serie Deutschlands - und nach ihren Fans.

Im Café Kopfeck kann man sonntags gemeinsam den Kultkrimi "Tatort" sehen. (Foto: Foto: Rebecca Brielbeck)

Vor 38 Jahren wurde der erste "Tatort" ausgestrahlt. Seitdem hat sich eine wahre Manie entwickelt und die Fangemeinde wird immer größer. Mittlerweile erfreut sich allerdings nicht mehr nur die Krimiserie allein großer Beliebtheit. Zahlreiche Hobby-Detektive haben das Schauen an sich zum Event gemacht. Zuhause fernsehen ist out. Wer mit der Zeit geht, besucht eine Kneipe.

Zusammen raten, wer der Mörder ist

Dort trifft sich jeden Sonntag ein Teil der eingeschworenen Fangemeinde, um gemeinsam zu raten und zu diskutieren, mitzufiebern und auch mal mitzulachen. Die jeweiligen Kneipen sind sehr verschieden: Vom Großraum-Public Viewing bis hin zum kleinen Lokal mit Wohnzimmerflair ist alles dabei. Hier in München kann man zum Beispiel in der Schrannenhalle und im Café Kopfeck zum Fernsehen zusammenkommen.

Die "Schranne", wie sie von den Münchnern genannt wird, ist groß. Es dauert, bis man die Leinwand gefunden hat, obwohl auch diese nicht eben klein ist. Kommt man vom Viktualienmarkt, liegt sie am anderen Ende der Halle, gleich neben dem Stand, an dem indisches Essen verkauft wird. Vor der Leinwand sind Bierbänke aufgestellt. Dahinter hat ein Café seine Sitzplätze und schräg vor der Leinwand stehen schwarze Ledercouchen. Das verwirrt ein bisschen, weil man weiß nicht so ganz genau, wo man sich nun hinsetzen soll.

"Weit vorne" lautet das Credo

Im kleinen Café Kopfeck ist das anders: "Weit vorne" lautet das Credo. "Sonst kann es passieren, dass einem einer vor der Nase sitzt", wie es Silke, Politologiestudentin in München und passionierter "Tatort"-Fan, ausdrückt. Am besten ist, man reserviert oder kommt früh genug. Sonst wird es schwierig mit einem Platz in dem vegetarisch/veganen Lokal mit den gelb-roten Wänden.

Mittlerweile hat das Kopfeck seinen festen Platz in den Herzen der "Tatort"-Anhänger: "Ich komme wirklich gern hierher", sagt Silke. "Es ist so gemütlich und die Leute sind alle voll bei der Sache und fiebern mit. Deshalb wird man auch nicht durch Gespräche anderer Gäste gestört."

Da die Schrannenhalle zu einem nicht unerheblichen Teil von ausländischen Touristen frequentiert wird, die oftmals nicht wirklich etwas mit dem "Tatort" anfangen können, wird hier während der Ausstrahlung ziemlich viel geredet. Überhaupt ist die Geräuschkulisse recht groß. Neben den Gesprächen der anderen Gäste tragen vor allem die vielen verschiedenen Lokale dazu bei. Immer klappert irgendwo irgendjemand mit Geschirr, was mit der Zeit stört. Ein großer Vorteil gegenüber dem Kopfeck ist allerdings die hoch angebrachte Leinwand. Hier hat man garantiert von jedem Platz aus freie Sicht.

"Tatort"-Public-Viewing in München
:Zwei Helle und ein Mord

Gemeinsam mehr vom "Tatort": Viele Fans des Kultkrimis gehen in eine Kneipe zum Public Viewing. Auch in München wird öffentlich gerätselt. Ein Besuch in zwei "Tatort"-Lokalen.

Rebecca Brielbeck

Um circa 21.15 Uhr wird der "Tatort" in der Schrannenhalle gestoppt. Die Zuschauer haben dann etwa zehn Minuten Zeit, sich eine Theorie auszudenken, wer der Mörder sein könnte. Diese können sie dann dem Moderator, der durch den Abend begleitet, mitteilen. Wer richtig liegt, darf sich nach der Austrahlung über ein Glas Prosecco freuen.

Eine Ratepause gibt es im Kopfeck nicht. Es wird von Anfang bis Ende durchgeschaut. Erst danach ist Zeit, zu diskutieren. Darüber, ob alles plausibel war, ob manche Dinge nicht doch sehr klischeehaft und konstruiert waren oder ob die Zwangzig-nach-Regel eingetreten ist. Diese besagt, dass der Mörder immer zwischen 21.20 Uhr und 21.25 Uhr auftritt. Dabei geht es oft heiß her: "Da jeder seinen Lieblings-"Tatort" hat, über den er nichts kommen lassen will, gibt es ab und zu ein paar Animositäten", sagt Silke. Zu größeren Streits käme es aber nie.

Schließlich wolle man ja die Woche darauf wieder gemeinsam Fernsehen. Denn ob mit Rate-Unterberechung oder ohne, alle Anwesenden scheinen es toll zu finden, dass es gemeinschaftliches "Tatort"-Schauen in München gibt.

Schrannenhalle, Viktualienmarkt 15, Tel.: 51818-0 Café Kopfeck, Klenzestraße 89, Tel.: 20062884

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