Tannenbaum-Kunde:Er grünt nicht nur

Es gibt viele Möglichkeiten, Zimmer und Plätze weihnachtlich zu schmücken. Nicht jede findet bei jedem Anklang: eine Stilkritik.

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Ein Plätzchen für LiebespaareWenn man einen Christbaum in München prominent nennen darf, dann ist es das riesige Exemplar vor dem Rathaus. Tausende Fußgänger flanieren täglich an ihm vorbei, allein seine schiere Größe macht es schwer, von ihm keine Notiz zu nehmen. Er steht sozusagen mitten in der Öffentlichkeit, und weil das so ist, wird seine Optik Jahr für Jahr zum Politikum.Einmal wurde ein Exemplar öffentlich als ,,Ekelfichte'' diskreditiert, die erregten Diskussionen über den armen Baum füllten Zeitungsspalten. Hinweise aus dem Rathaus, dass es sich bei dem Baum um eine Spende einer alpenländischen Gemeinde handle, konnten die Situation nicht wirklich beruhigen. Das ,,Skandalstangerl'' auf dem Marienplatz, das auch bei objektiver Sicht einen ziemlich trostlosen Eindruck machte, blieb über Wochen hin Stadtgespräch.Leider macht auch der mit Tausenden von Kerzen bestückte Christbaum, den heuer die Stadt Bad Reichenhall für München gespendet hat, einen relativ tristen Eindruck. Zwar ist er einigermaßen gerade gewachsen, doch seine Nadeln hängen schlaff und müde zu Boden. Vermutlich haben saurer Regen oder eine Armada von Borkenkäfern an dem Baum ihr übles Werk verrichtet. Weil er beim Transport nach München offenbar ein paar Äste lassen musste, hat er schon eine Schönheits-OP hinter sich: Die abgerissenen Äste wurden dem Patienten mit Hilfe von Eisenmanschetten wieder eingepflanzt, was allerdings nur auf den zweiten Blick auffällt.Weiter unten, wo ebenfalls Äste fehlen, haben sich inzwischen junge Leute verewigt und ihre Namen mit Herzchen verziert. Anton und Ludmilla zum Beispiel. So hat der Baum doch noch seine Bestimmung gefunden.Fotos: SZ Text: Robert Stocker

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Treu funkeln seine AugenWeihnachten unterm Tannenbaum - das birgt immer auch Gefahren. Die Stimmung kann kippen, der Baum desgleichen, irgendwann bleibt einem die selige Sangesfreude im Hals stecken. Glücklich, wer da vorgesorgt hat. Mit "Douglas" zum Beispiel, dem wackeren kleinen Tannenbaum. "Douglas" besitzt, wie sein Händler einfühlsam beschreibt, "lebensähnliche Eigenschaften" - Talente also, die man in Zeiten der Krise nicht hoch genug schätzen kann.Douglas ist niedlich. Er nadelt nicht. Er brennt nicht. Aber er spricht und singt für uns, wenn wir uns nähern, unbeeindruckt von den Fehden dieser Welt. In ihm steckt, was wir uns von Weihnachten wünschen: die freundliche Ansprache, die Verlässlichkeit, die Zuversicht. Im nächsten Jahr mag alles anders sein, Geld zum Teufel, Arbeitsplatz weg, Partner verloren. Aber die treu funkelnden Augen von "Douglas", sein immer wiederkehrender Gesang: sie bleiben bestehen. Merry Christmas!Text: Monika Götsch

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Ein ModernistZeitgemäßer Minimalismus, Verzicht auf unnützen Zierrat und entschlossene Formensprache zeichnen den SZ-Tannenbaum aus. In seinem klaren, aufs Wesentliche (die Lichter) reduzierten Design spiegelt er die schlichte Eleganz des neuen Verlagshochhauses wieder, dem er zum Zwecke des Verströmens weihnachtlicher Stimmung zugeordnet ist.Gestrige mögen Tand, Krippe, Schleifchen und Strohsterne vermissen. Was sie nicht sehen: Der reizvolle doppelte Kontrast zum schwarzen Stein des Verlagsvorplatzes in Steinhausen einerseits sowie den wild wuchernden Brombeerranken der nahen Schrebergärten an der Bahnlinie andererseits wird zum Sinnbild der Versöhnung weit entfernter Kulturen und Weltanschauungen.Text: Joachim Käppner

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Der ideale Baum - eine WarnungSchon manches Fest ist an ihm zerbrochen, manche Ehe hernach ebenso, und nicht selten flog er noch am Heiligen Abend jählings aus dem Fenster, behängt mit Lichterkette, Kerzenschein, bunten Kugeln, Lametta. Der ideale Baum, das ist das Problem. Diese Erwartung. An den Mann etwa, der zwölf Stunden vor der Bescherung zum Verkaufsstand fährt. Himmel, was will man da erwarten? Noch immer wurde der Baum nachher als zu schief, zu krumm, zu hässlich, als gerupfte Ente abgetan.Aber auch für den weihnachtlich engagierteren Herrn birgt der ideale Baum Gefahren. Er will ihn professionell schmücken, wie den Baum vorm Weißen Haus: Glitzernd, bunt, festlich, voll, mit drei Königen und gesattelten Kamelen. Aber sie: Sie will Talgkerzen ökologischer Herkunft, ein paar Strohsterne, das Ganze so sinnlich wie die Teeküche in der Evangelischen Akademie Bad Oldesloe. Wie soll das gutgehen? Es geht nicht gut.Foto: ddp Text: Joachim Käppner

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Monument gegen "Machos und Müll"Das Ding ist zweifelsohne ein Blickfang. Wer aber beim Betrachten als erstes an einen Christbaum denkt, leidet wohl unter einer Wahrnehmungsstörung. Eine Kollegin gestand, aus der Entfernung hängende Bierkrüge ausgemacht zu haben (ein Wiesn-Trauma!), der Autor selbst dachte zunächst an eine raffinierte Pyramidenschaukel für Kinder.Aus rein praktischen Erwägungen heraus kann das Tollwood-Weihnachtsbaumexemplar, mal abgesehen von seiner etwas unhandlichen Größe, durchaus punkten. Er muss nicht gegossen werden, nadelt nicht und ist wiederverwendbar. Letzteres gereichte den Schöpfern der Installation "Der gelbe Sackbaum" offenbar als Leitidee.Bürger sammelten Plastikmüll, reinigten und sortierten ihn nach ästhetischen Gesichtspunkten in 121 gelbe Säcke. Die hängte Künstlerin Dorothea Seror an ein acht Meter hohes Metallgerüst. Seror sieht sich übrigens in der Tradition der griechischen Jagdgöttin Artemis, die sich mit Stierhoden behängte, und will ihr Kunstwerk als "Monument einer macho- und müllfreien Zukunft" verstanden wissen.Prima! Das wäre doch was für Neapel. Statt über die Unfähigkeit der Behörden zu schimpfen, könnten die Neapolitaner selbst Hand anlegen und sich gemeinsam sortierend in Weihnachtsstimmung versetzen. Auch fürs deutsche Wohnzimmer ließe sich etwas finden. Mutter besorgt bunte Säckchen, die Kinder füllen sie mit den nervigen Bergen von Geschenkpapier- und Verpackungsmüll, Vater baut ein Gestell - und fertig ist der Bausatz fürs nächste Jahr.Text: Michael Ruhland

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Konsequent PlastikGewiss hat der Plastiktannenbaum einige, nun ja, optische Beschränkungen. Das hier gezeigte Modell aber verkörpert trotz des Kunststoffes den weihnachtlichen Gedanken in bewundernswerter Konsequenz: bescheiden im Auftritt, ein kleines Glück in kalter Zeit. 33 Zentimeter ist er hoch, verfügt über acht elektrische Kerzen und eine kongeniale Dekoration in Uni-Festlichrot. Tauglich als vollwertiger Weihnachtsbaum für Feiern im kleinen, intimen Kreis oder für Büros, deren Chef zu geizig ist, einen Firmenbaum zu spenden.Sein großes Plus ist die Portabilität, die festliche Atmosphäre lässt sich so von einem Ort auf den anderen übertragen - daher ideal auch für weihnachtliche Streitigkeiten mit anschließender räumlicher Trennung.Text: Joachim Käppner

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Zum KlappenNa bitte, es geht doch: Der zusammenklappbare Allrounder-Baum für Weihnachtsliebhaber ebenso wie für strikte Festgegner in Einem! Und das alles bei Hagebau zum Schäppchenpreis von 19,99 Euro ("Hagebau, mach dein Ding!"). Gut. Von vorne: Dieser Baum ist ein Fake. Er lebt nicht. Es handelt sich quasi um eine Kunststofftannenattrappe. Ein Umstand, den die umsichtige Hausfrau zu schätzen weiß: Er nadelt nicht, ist ewig haltbar, löst keine unliebsamen Allergien aus und ist schwer entflammbar, wenn überhaupt.Und das Schönste: Sogar in den Karibikurlaub kann das Prachtstück mitgeschleift werden, weil es zusammenklappbar ist. Das Modell Tanne ist mit Kunst-Schnee zu haben. Für Weihnachtshasser empfehlen wir folgende abartige Varianten: Modell "Depri" ist rabenschwarz und kann Singles während der Fest-der-Liebe-Krise beschatten oder das Modell "eh-schon-alles-egal" in Giftgrün.Fotos: SZ Text: Susi Wimmer(sueddeutsche.de/agfa)

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