Tagesmütter in München:Fit für den Betreuungsstress

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Die Stadt reagiert auf den Fall Christopher: Mit Hilfe einer erweiterten Ausbildung sollen Tagesmütter lernen, mit besonderen Belastungen umzugehen.

Sven Loerzer

Das Stadtjugendamt will Tagesmütter künftig besser qualifizieren. Durch einen neuen praktischen Ausbildungsteil sollen Tagesmütter lernen, mit besonderen Belastungen umzugehen. Die Stadt reagiert damit auch auf die Tragödie, die sich vor zwei Monaten abspielte. Eine offenbar überforderte Tagesmutter hatte den 13 Monate alten Christopher so heftig geschüttelt, dass er eine Hirnblutung erlitt. Der Junge starb kurz danach im Krankenhaus.

Das Stadtjugendamt will, dass Tagesmütter künftig besser ausgebildet werden. Ab 2010 soll die erweiterte Ausbildung Pflicht sein. (Foto: Foto: ddp)

Insgesamt gibt es rund 1600 Tagespflegeplätze mit Erlaubnis des Stadtjugendamts. Sozialpädagogen in den Sozialbürgerhäusern überprüfen zuvor die Eignung der Tagesmütter anhand der gesetzlich festgelegten Anforderungen. Dazu gehören etwa die Motivation für die pädagogische Tätigkeit, der Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse, Verantwortungsbewusstsein und Kenntnisse der kindlichen Entwicklung.

Ausbildung im Haushalt der Tagesmutter

Derzeit sind in der Landeshauptstadt nach der vorgeschriebenen, 60 Unterrichtsstunden dauernden Grundqualifizierung 440 Tagespflegepersonen tätig. Das Jugendamt bietet daran anknüpfend zusätzlich eine praxisbegleitende Aufbauqualifizierung (55 Stunden) mit einem Zertifikatsabschluss und verlangt überdies verpflichtend die Teilnahme an Fachvorträgen, jährlich 15 Stunden. Seit 2005 stützt sich die vom Jugendamt angebotene Qualifizierung auf den bundesweit anerkannten Lehrplan des Deutschen Jugendinstituts.

Das Jugendamt will nun die Qualifizierung um 45 auf 160 Stunden erweitern, um damit auch den Vorgaben des "Aktionsprogramms Kindertagespflege" des Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2007 gerecht zu werden. Die zusätzlichen Stunden sollen langjährig erfahrene, pädagogische Fachkräfte als "Training on the job" gestalten, also als Ausbildung im Haushalt der Tagesmutter. Erst nach einem guten oder ausgezeichneten Abschluss dieses dritten Teils wird das Jugendamt künftig das Zertifikat "qualifizierte Tagesmutter" erteilen.

Im zweiten Abschnitt: Welche Vorteile das Praxistraining hat - und ob die Kinderbetreuung für Eltern teurer wird.

Der besondere Vorteil des Praxistrainings liegt darin, dass die Ausbilderin sehr viel mehr Einblick in Lernerfolge und Betreuungsqualität erhält als die bislang üblichen Hausbesuche zur Kontrolle gewähren. Von 2010 an soll die 160 Stunden umfassende Qualifizierung Pflicht für alle neu beginnenden Tagespflegepersonen sein, bis 2015 sollen sie alle Tagesmütter und Tagesväter absolviert haben. Die fünf Jahre lang gültige Erlaubnis zur Tagespflege wird zwar wie bisher bereits nach der erfolgreich abgeschlossenen Grundqualifizierung erteilt, erlischt allerdings, wenn die beiden weiteren Teile nicht innerhalb eines Jahres erfolgreich absolviert werden. Die Erweiterung der Qualifizierung, der Ausbau der Ersatzbetreuung und die Qualitätssicherung werden die Stadt jährlich rund 820.000 Euro zusätzlich kosten.

Eltern müssen nicht mehr bezahlen

Das Konzept dazu wird Sozialreferent Friedrich Graffe (SPD) am heutigen Dienstag dem Kinder- und Jugendhilfeausschuss des Stadtrats vorlegen. Da das Bundesfinanzministerium entschieden hat, dass die Bezahlung der Tagesmütter von 2009 an zum steuerpflichtigen Einkommen gehört, will das Jugendamt die Vergütung zum Ausgleich dafür anheben, damit das Betreuungsplatzangebot in der qualifizierten Tagespflege mit Ersatzbetreuung nicht zurückgeht.

Der drohende Einkommensverlust lässt sich nach Berechnungen der Stadt mit einer Anhebung des Tagespflegegeldes um zwei auf 5,50 Euro pro Betreuungsstunde ausgleichen. Die Mehrkosten trägt die Stadt, damit die Eltern, wie bisher, abhängig von ihrem Einkommen höchstens 3,50 Euro pro Stunde bezahlen müssen.

Allein im nächsten Jahr rechnet das Jugendamt deshalb mit Mehrkosten in Höhe von knapp 1,3 Millionen Euro. Durch den weiteren Ausbau der qualifizierten Tagespflege dürften die Mehrkosten für den Ausgleich der Steuerbelastung bis 2011 auf drei Millionen Euro steigen.

© SZ vom 02.12.2008/sma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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