SZenario:Philosoph mit Werkzeug

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Lars Gustafsson (Mitte) mit seinem Laudator Wolf Lepenies (links) und Michael Krüger, dem Präsidenten der Akademie der Schönen Künste. (Foto: Robert Haas)

Der schwedische Schriftsteller Lars Gustafsson erhält in der Residenz den Thomas-Mann-Preis - und vorübergehend die Amtskette des Preisverleihers

Von Hannah Vogel, München

Tief gebeugt über den Tisch, die Brille auf die Stirn geschoben, signiert Lars Gustafsson seine Werke. Im Halbkreis scharen sich Leser um den weißhaarigen Schweden. Damen ziehen bis zu sieben seiner Bücher aus den Tiefen ihrer ausgebeulten Designertaschen hervor. Der frisch gekürte Träger des Thomas-Mann-Preises kann gar nicht schnell genug den Stift schwingen. Gustafsson, geboren 1936 im schwedischen Västerås, ist Schriftsteller und Philosoph. Über sich selbst sagt er: "Ich neige dazu, mich als einen Philosophen zu betrachten, der die Literatur zu einem seiner Werkzeuge gemacht hat." Und will man weiter dieses Bild bemühen, er versteht sein Handwerk. Herauszuheben aus seinem mehr als vierzig Bände umfassenden Werk ist der Romanzyklus "Risse in der Mauer". In ihm beschreibt Gustafsson die Veränderungen des europäischen Wertesystems in den Sechziger- und Achtzigerjahren.

Nun verleihen ihm die Bayerische Akademie der Schönen Künste und die Hansestadt Lübeck im Schein funkelnder Kronleuchter den Thomas-Mann-Preis. Ein Kreis schließt sich. Denn ohne den Einfluss des deutschen Schriftstellers hätte er vielleicht nie Prosa geschrieben, sagt Gustafsson. Die Anwesenden lauschen im Max-Joseph-Saal der Residenz Wolf Lepenies. Der Soziologe und Schriftsteller hält die Laudatio. Sein Blick schweift über die Menschenmenge, bleibt jedoch immer wieder an Gustafsson hängen. Mit "freudiger Bewunderung und überraschendem Erstaunen" erfülle Lepenies das Werk des Preisträgers. Der schwedische Romancier verteidige in seinen Schriften die "Ideale der Freiheit". Michael Krüger, Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, hängt Lars Gustafsson als Zeichen seines Respekts sogar seine Amtskette um. Der Schwede, kurz verwirrt ob des unerwarteten Akts, zieht beherzt sein blaues Stofftaschentuch aus der Tasche und fängt an, das Insigne zu putzen.

Seine Dankesrede hält Lars Gustafsson auf Deutsch, das er bei einem zweijährigen Aufenthalt in Berlin gelernt hat. Sie ist aufgrund seines Akzents und der schlechten Akustik schwer zu verstehen. Angestrengte Gesichter im Publikum. "Haben Sie viel verstanden?", fragt eine ältere Dame später ihre Nachbarin. Stummes Kopfschütteln. Dabei ist Gustafssons Rede unterhaltsam, ein bisschen selbstironisch. "Die Leute fragen mich in der U-Bahn in Stockholm: Was ist das für ein Preis?", erzählt er. "Und dann sage ich: Das ist ein feiner Preis." Das Publikum lacht, die Bücher warten in den Designertaschen bereits auf die Signatur.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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