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"Alle sind da, und keiner weiß warum" - Rechtsanwalt Stavros Kostantinidis lädt zum Zicklein-Essen und die Polit- und Wirtschaftsprominenz folgt

Von Christian Krügel, München

Das Praktische an den Sitzecken im Restaurant "Reitschule" ist, dass man sich jetzt nach all den Bussis, Hand-shakes und Hugos einfach mal in die alten, weichen Polster fallen und den Blick schweifen lassen kann. Es sitzen also an langen Tafeln und bei griechischen Vorspeisen: dort drüben der Landespolizeipräsident und fast alle Bankchefs, die Bayern zu bieten hat; im Raum verteilt Direktoren und Vorstandsmitglieder, wahlweise von Museen, Flughäfen, Brauereien, Kapital- und sonstigen Gesellschaften. Ein bisschen im Eck die katholische, evangelische, orthodoxe und jüdische Prominenz; bestens sichtbar direkt gegenüber das junge österreichische Pop-Girl, das sich bald als Fernsehmoderatorin versucht und aus der Schmuckfamilie stammt, welche viele der nicht mehr ganz so jungen Damen aus TV-, Gastro- und Glitzerwelt im Rest des Raums beliefert. Und da, mitten unter den 300 Gästen, tafeln die Kabinettsmitglieder in beschlussfähiger Zahl: der Innen- und der Kultusminister, die Sozial- und die Wirtschaftsministerin, Staatssekretäre und Ministerialdirigenten, angereichert um ein wenig SPD, FDP, Freie Wähler und, ja ganz dahinten, einen grünen Landrat. Und während man so schaut und dem Nachbarn lauscht, der einem die Gewinnmargen seiner mittelamerikanischen Plantagen erklärt, fällt einem dieser Satz wieder ein. Gesagt hat ihn jemand, der das Schauspiel hier alljährlich erlebt: "Alle sind da, und keiner weiß warum."

Eine Familie beim Netzwerken: Saskia Greipl lässt sich mit dem künftigen Ministerpräsidenten Markus Söder fotografieren. (Foto: Florian Peljak)

Die Einzigen, die es wissen könnten, wuseln zwischen ihren Gästen herum: Rechtsanwalt Stavros Kostantinidis und seine Frau Saskia Greipl. Seit acht Jahren richten sie kurz vor Weihnachten ihr Zicklein-Essen für die Münchner Gesellschaft aus. Nun darf man schon fragen, warum all die Polit- und Wirtschaftsprominenz der Einladung eines Anwalts folgt. Nur: Es gibt keine Antwort darauf. Oder die immer gleiche: "Weil wir Stavros ja schon so lang kennen." Woher? Seit wann? Geschäftlich? Vom Urlaub? Oder vom Sommerfest neulich? Und warum duzen sich eigentlich alle? Das sind Fragen, die selbst Minister nicht beantworten können, weshalb sich Finanzminister Markus Söder in Vergleiche flüchtet: Zicklein bei Stavros sei wie die Oscar-Verleihung. Andere sagen wie Nockherberg, Maibock, Wiesn. Und wer fragt schon, warum es die Wiesn gibt?

Der Mann von Saskia Greipl, Stavros Kostantinidis, zeigt sich mit Karin Seehofer, der Ehefrau des Noch-Ministerpräsidenten. (Foto: Florian Peljak)

Man käme wohl kaum aus dem Staunen heraus, wenn Kostantinidis dieses seltsame Spiel nicht selbst ständig ironisch brechen würde. Vor allem beim Spendensammeln: Denn jedes Jahr werden die Zicklein (heuer 30) für einen guten Zweck geschlachtet. Mehr als fünf Millionen Euro kamen über die Jahre zusammen. Diesmal sind es für einen Verein der Seniorenhilfe zunächst nur 57 000, weshalb der Anwalt den Gästen charmant-böse das Geld geradezu aus der Tasche redet. Und so fliegen die Spendenzusagen über 1000, 3000, 5000 Euro derart schnell über die Tische, dass man gar nicht mehr zum Nachdenken kommt, wer denn all das Geld erwirtschaftet haben mag.

Am Ende sind es 91 000 Euro, und Stavros Kostantinidis bewirbt sich bei Markus Söder um den Posten des Finanzministers. Apropos Söder: Es treten auch Kabarettist Christian Springer und Alt-Songcontest-Rocker Johnny Logan auf; aber der angehende Ministerpräsident ist klar der Star des Abends, zumal zwar Familie Seehofer fast vollständig zugegen ist, Papa Horst sich aber daheim für Gespräche in Berlin schont.

Also kann Söder uneingeschränkt residieren. Ja, es wirkt, als throne er über allen anderen. Das liegt weniger an seinen 1,94 Meter, als viel mehr an all den Menschen, die dem künftigen Landesvater am liebsten kriechend ihre Ehrerbietung entgegenbringen würden. Zwei Tage nach dem CSU-Parteitag legt sich Münchens Gesellschaft Söder zu Füßen. Die meisten zeigen dabei aber immerhin etwas mehr Stil als die Gattin eines CSU-Mannes aus der zweieinhalbsten Reihe der Landespolitik. "Mei, Herr Söder, schön, dass Sie es jetzt geschafft haben. Und mein Mann hat dabei ja so geholfen. Das wissen Sie doch Herr Söder, gell?" Darauf einen Ouzo.

© SZ vom 20.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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