SZenario:"Ein Tiefwurzler"

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Ein "glaubwürdiger Vertreter der bayerischen Wirtschaft", sagt Horst Seehofer (l.) über Alfred Gaffal. (Foto: Robert Haas)

Seehofer lobt VBW-Präsident Alfred Gaffal bis zur Rührung

Von Maximilian Gerl, München

Die Wirtschaft brummt: niedrige Arbeitslosenquote, hoher Export, große Budgets für Gratis-Essen. Wer letzteres nicht glaubt, muss nur mal im Haus der Bayerischen Wirtschaft am Karolinenplatz vorbeischauen. Zum Beispiel am Montag, 17 Uhr. Der mächtigste Arbeitgeberverband im Freistaat hat zu einer Geburtstagsfeier geladen. Alfred Gaffal, Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW), wird 70 Jahre alt, und da kann man der Wirtschaftselite des Landes schon mal Seezungenröllchen servieren. Der Verband ist nicht dafür bekannt, beim Feiern und vor allem beim Essen zu sparen, deshalb haben die Profis unter den Gästen am Morgen auch extra wenig gefrühstückt.

Drei Wünsche hatte das Geburtstagskind, verrät Bertram Brossardt, Geschäftsführer der VBW: streng begrenzte Redezeiten, keine starren Rituale, eine Feier im eigenen Haus. Das klappt recht gut, die Anzugdichte ist hoch, etwa 350 Gäste sind da. Gaffal, das gehört zur Grundvoraussetzung in seinem Amt, gilt als bestens vernetzt in Wirtschaft und Politik. Mehrere Vertreter der Staatsregierung sind gekommen, etwa Kultusminister Ludwig Spaenle oder Wirtschaftsminiserin Ilse Aigner, die dem Jubilar erst einmal um den Hals fällt. Die CSU-Quote ist herausragend, auch Peter Ramsauer, Erwin Huber und Florian Herrmann gratulieren. Von der FDP sind unter anderem die Ex-Minister Martin Zeil und Wolfgang Heubisch anwesend, von den Freien Wählern Hubert Aiwanger. Auch Ministerpräsident Horst Seehofer ist da oder sollte es sein. Er verspätet sich. Statt in seine Rede geht die Veranstaltung gleich in das ersehnte Essen und Trinken über. Heubisch hat beide Hände voll zu tun, um die Wartezeit zu überbrücken: Ein Bier in der einen, mit der anderen begrüßt er einen Gast nach dem nächsten.

Dann reist doch noch Seehofer an, warme Worte im Gepäck. Gaffal sei ein "glaubwürdiger Vertreter der bayerischen Wirtschaft", als echter Niederbayer ein "Tiefwurzler", außerdem ein "Vordenker" in Sachen Digitalisierung: "Sie wissen gar nicht, wie oft ich Sie zitiert habe im Kanzleramt." Mit Wahlkampfrhetorik hält sich Seehofer zurück, warum auch, Auftritte bei der VBW sind für ihn Heimspiele. Aiwanger zählt zu der Minderheit im Saal, die am Sonntag nicht Schwarz oder Gelb wählen dürfte.

Zum Schluss überreicht Seehofer eine Bavaria-Statue ganz in Schwarz, als ob Bayern bei der Wirtschaftslage Trauer tragen müsste. Gaffal sagt gerührt, er wisse nicht, ob er alles erfüllen könne, was ihn Seehofer geheißen habe, aber: "vielen Dank". Es folgt, eigener Geburtstagswunsch hin oder her, eine Grundsatzrede über Integration, Digitalisierung und andere wirtschaftspolitische Herausforderungen der Zukunft. Kein Zweifel: Wenn Seehofer am Sonntag Gaffal wählen könnte - das Kreuzchen wäre so gut wie sicher.

© SZ vom 20.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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