SZ-Serie: Wahlfang:Ruf doch mal an

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Wer mag, kann die grüne Bundestagskandidatin Jamila Schäfer freitags einfach anrufen. (Foto: Anna Hoben)

Fundstücke aus dem Münchner Wahlkampf. Heute: Jamila Schäfer lädt Wähler auf Plakaten zum Telefonieren ein

Von Anna Hoben

Manchmal ruft jemand an, und es ist gerade besetzt. Jamila Schäfer ruft dann zurück, und oft ist die Person ein bisschen erschrocken darüber - so erzählt es die Direktkandidatin der Grünen im Münchner Süden. Dass man eine Bundestagskandidatin wirklich ans Telefon bekommt, damit rechnen die meisten offenbar nicht. Und Schäfer findet: "Da läuft etwas schief." Sie will dazu beitragen, diese Distanz zwischen der Bundespolitik und den Bürgerinnen und Bürgern abzubauen. Und hat deshalb ihre Handynummer auf Wahlplakate gedruckt, zusammen mit einem Hinweis auf ihre telefonische Bürgersprechstunde. Jeden Freitag zwischen 17 bis 19 Uhr kann man sie anrufen. Wer zu jener Generation gehört, die mit dem Telefon alles macht, aber ungern telefoniert, kann auch schreiben: per Whatsapp oder Signal.

Für die Sprechstunde hat Schäfer sich eine extra Sim-Karte zugelegt. Etwa vier Anrufe gingen in den zwei Stunden meist ein, erzählt die 28-Jährige, es hänge ein bisschen vom Wetter ab. So kann sie sich Zeit nehmen für jedes einzelne Gespräch, und es bleibt nicht nur an der Oberfläche, sondern kann auch ein bisschen in die Tiefe gehen. Die Telefonate dauerten meist ungefähr 20 Minuten. Und wer nutzt das Angebot im Wahlkampf? "Es sind eher ältere Leute, die sich telefonisch melden", sagt Schäfer. Die Jüngeren nutzten eher einen der Messengerdienste. Die Themen decken die ganze Bandbreite ab. "Total interessant" findet die Kandidatin das, weil sie durch die Gespräche ein Gefühl dafür bekomme, was die Leute bewegt.

Ein paar Spaßanrufe seien schon auch dabei gewesen, aber die meisten Anrufer meinten es ernst. Manche haben ganz konkrete, lebensweltliche Fragen: Ist es besser für die Umwelt, Glasflaschen oder Tetrapaks zu kaufen? Andere wollen grundsätzlich über Verkehrspolitik sprechen, über Antriebstechnologien und Fahrradwege. Es gibt Fragen zur Rente, zu den europäischen Außengrenzen und zu Afghanistan. Jüngere interessieren sich eher für die Legalisierung von Cannabis - oder für die Münchner Dauerbrennerfrage, wie sie in Deutschlands teuerster Stadt eine bezahlbare Wohnung finden sollen. Da schickt die Kandidatin schon mal ein paar Linktipps per Messengerdienst. Und nach einem Telefongespräch versendet sie manchmal per Post das Wahlprogramm der Grünen. Und wie lautet nun die Antwort auf die Frage Glasflaschen versus Tetrapaks? Es komme auf die Herstellung an, sagt Jamila Schäfer, kurzum: "Es ist kompliziert." Wie so oft in der Politik.

© SZ vom 15.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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