SZ-Kulturpreis 2018:Eine Auszeichnung, die Mut macht

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Für viele der Tassilo-Preisträger bedeutet die Ehrung eine erste öffentliche Anerkennung. Sie stärkt nicht nur das Selbstbewusstsein, sondern spornt zum Weitermachen und Durchhalten an. Nun startet die zehnte Ausschreibung - mit einer Neuerung.

Von Sabine Reithmaier

Welche Gemeinsamkeit haben der Kulturverein Erdweg (Landkreis Dachau) und das Jazz-Streichorchester Bluestrings aus Fürstenfeldbruck? Den Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung, der 2016 dazu beitrug, die jeweiligen, unverwechselbaren Besonderheiten dieser Gruppen zu entdecken und ins rechte Licht zu rücken.

An diesem Wochenende beginnt die zehnte Ausschreibung dieser Auszeichnung, ein guter Zeitpunkt, um sich bei ehemaligen Preisträgern zu erkundigen, wie sich der Preis auf ihre Karriere auswirkte.

"Supergut" sei das Jahr gewesen, sagt Gesa Blaas, Vorsitzende des 2015 gegründeten Kulturvereins Erdweg, der zuvor - noch als lockere Bürgerinitiative - in jahrelanger Arbeit die historische Tafernwirtschaft im Ortszentrum restauriert hatte. "Die Auszeichnung hat uns Türen geöffnet, wir werden überschüttet mit Anfragen." Die ersten Kontakte zu Künstlern knüpfte sie noch am Abend der Tassilo-Preisverleihung. Inzwischen hatte der Verein bereits jede Menge Preisträger in Erdweg auf der Bühne.

Im Mai gastierten mit "Jazz in the Box" Mitglieder der ebenfalls mit einem Tassilo gewürdigten IG Jazz aus Ebersberg dort, im Juni die Bluestrings, während schon im Februar ein Preisträger des Jahres 2002, Martin Prochaska mit seinem Klapp-Theater die Kinder begeisterte. Schlagzeuger Christian Benning, der ebenfalls 2014 einen Tassilo holte, steht im Juni 2018 auf dem Programm.

Preisvergabe wird auf das Stadtgebiet ausgedehnt

Erstmals vergeben wurde der Tassilo-Kulturpreis im Jahr 2000. Längst hat er sich zu einer festen Institution entwickelt. Bislang war er auf die Landkreise um München beschränkt. Jetzt aber bietet das Jubiläum den willkommenen Anlass, die Preisvergabe auf das Stadtgebiet auszudehnen. An den Vergabekriterien ändert das freilich nichts: Der Kulturpreis ist nicht für Künstler gedacht, die bereits mehrfach ausgezeichnet worden sind oder regelmäßig Stipendien erhalten. Im Gegenteil: Der Tassilo macht zum einen auf Kulturschaffende aufmerksam, die der Förderung und der Ermutigung bedürfen.

Zum anderen würdigt er diejenigen, die für die kulturelle Vielfalt der Region stehen, Menschen also, die "Kultur von unten" machen. Das trifft auf junge Künstler zu, aber auch auf jene Menschen, die sich beharrlich dafür engagieren, dass in ihren Gemeinden oder Vierteln das Kulturleben blüht.

Wer für den Tassilo vorgeschlagen werden kann

Diejenigen, die ausgezeichnet werden sollen, können die Leser der Süddeutschen Zeitung während der nächsten Wochen vorschlagen. Vor zwei Jahren wurden knapp 110 Kandidaten aus den verschiedenen Kunst- und Kultursparten nominiert; insgesamt sind seit 2000 an die 1600 Bewerber vorgestellt worden. Allein diese Zahlen signalisieren, wie vielfältig und reich die Kulturlandschaft rund um München ist.

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Künstler entdecken und ins rechte Licht rücken - das ist Sinn und Aufgabe des Tassilo-Preises. Aus mehr als 90 Kandidaten hat eine Fachjury die Preisträger für das Jahr 2016 bestimmt.

Von Sabine Reithmaier

Natürlich können auch bekannte Künstler vorgeschlagen werden. Chancen haben sie aber nur, wenn sie unabhängig vom Erfolg Dorf, Stadt oder Landkreis verbunden geblieben sind, dort beispielsweise Kulturreihen betreuen oder sich um künstlerischen Nachwuchs bemühen, wie es die Musikerbrüder Cornelius Claudio und Johannes Tonio Kreusch, Preisträger 2012, mit Konzerten und Workshops in Ottobrunn tun.

Tassilo-würdig sind auch Persönlichkeiten, die sich erfolgreich in Kulturvereinen engagieren, ehrenamtlich Ausstellungen oder Konzerte organisieren und das kulturelle Leben in den Gemeinden durch ihr Wirken erst ermöglichen.

Alles Kriterien, welche die ersten Preisträger im Jahr 2000 ideal erfüllten: die Brüder Toni und Jakob Drexler mit ihrem Hörbacher Montagsbrettl. Das Brettl, 1975 gegründet, ist inzwischen die älteste noch bestehende Kleinkunstbühne. "Für uns war der Tassilo eine sehr hohe Auszeichnung", erinnert sich Toni Drexler. "Wir fühlten uns so wertgeschätzt." Die Drexlers sind immer noch aktiv, ihre Kinder sind längst in die Organisation miteingestiegen. "Irgendwann werden sie das Brettl übernehmen", ist sich Drexler sicher.

Über die Preisträger entscheidet eine Jury

Die Entscheidung, wer die Preise erhält, trifft eine mit Fachleuten besetzte Jury. Vergeben werden drei Hauptpreise (je 2000 Euro), sieben weitere Preise (je 500 Euro) und ein Ehrenpreis für ein Lebenswerk (500 Euro). Gerade um letzteren liefern sich die Jurymitglieder die heftigsten Debatten, denn Kandidaten, die ihn verdient hätten, gibt es mehr als genügend.

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(Foto: SZ)

Tassilo 2000: Das erste und wirklich einzige Gruppenbild mit Tassilo-Preisträgern entstand bei der allerersten Preisverleihung. Mit dabei in der Mitte der obersten Reihe die Brüder Jakob und Toni Drexler (vorn), die damals den Tassilo-Hauptpreis erhielten.

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(Foto: Renate Schmidt)

Tassilo 2006: Ein wichtiges Ziel des Preises ist es, junge Künstler zu fördern. Das Durchschnittsalter der Grafinger Big Band Swinging G's betrug 18 Jahre, Leiterin Anja Bernhard war 21. Dass die Musiker älter geworden sind, merkt man ihrem Sound bis heute nicht an.

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(Foto: Johannes Simon)

Tassilo 2014: Das Spektrum der Preisträger reicht vom Kirchenchor über Kammermusiker bis zur Rockband. Oder vom Veranstalter über Videokünstler bis hin zu Volksmusikanten wie den Garchinger Pfeifern, die im Jahr 2014 ausgezeichnet wurden.

Erst im Jahr 2016 eingeführt worden ist der Tassilo-Sozialpreis. Damit unterstützt der SZ-Adventskalender für gute Werke, das Hilfswerk der Süddeutschen Zeitung, besondere Kultursozialarbeit und -pädagogik mit einem Preisgeld von 1000 Euro. Gewürdigt werden Initiativen, die mit Musik, Kunst, Literatur, aber auch besonderer Sprachvermittlung Integrations- und Inklusionsarbeit leisten; das können Projekte für Behinderte oder lernschwache Kinder sein, aber auch Kulturarbeit an sozialen Brennpunkten.

Für die meisten der Ausgezeichneten ist das Preisgeld eher eine angenehme Nebenerscheinung; wichtiger ist der Impuls, den der Tassilo auslöst. Toni Drexler jedenfalls ärgert sich noch heute über seine Entscheidung, sich eine Digitalkamera zu kaufen. "Damals waren die Dinger noch wahnsinnig teuer." Einen Teil ihres Preisgeldes spendeten die Brüder aber noch am selben Abend einem der anderen Preisträger, um dessen Arbeit zu unterstützen.

Die Musikerin und Autorin Verena Richter, 2008 mit einem der Hauptpreise ausgezeichnet, erinnert sich vor allem an die "tolle Bekräftigung", die der Tassilo für sie bedeutete. Die "Frau mit dem Täkst" studierte damals noch Saxofon am Richard-Strauss-Konservatorium, Philosophie an der Uni, besuchte die Deutsche Journalistenschule und war unsicher, ob sie tatsächlich den Sprung ins freie Künstlertum wagen sollte. Der Preis erleichterte ihr die Entscheidung. "Ich wusste plötzlich, dass ich auf dem richtigen Weg bin."

Der Kulturverein Erdweg verdankt dem Tassilo auch eine ganz unerwartete Erfahrung, nämlich den Auftritt von Monika Gruber in ihrem 180 Plätze fassenden Saal. Die Kabarettistin, die den Preis als Patin übergab, hatte sich dazu spontan bereit erklärt. Sieben Minuten dauerte es - dann war der Vorverkauf erledigt. Und der Kulturverein überwältigt.

© SZ vom 05.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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