SZ Forum Gesundheit:Notfallzentren unter Druck

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Mit Blaulicht in die Klinik kommen die Patienten, um als Notfall versorgt zu werden. Andere Kranke könnten auch eine Praxis aufsuchen. (Foto: Lukas Barth)

Wer dringend umfassende medizinische Hilfe benötigt, ist in Münchens Kliniken gut versorgt. Wegen der weiter steigenden Belastung sprechen sich Vertreter der Krankenhäuser dafür aus, den Strom der Patienten zu filtern

Von Philipp von Nathusius

Nur zunächst ein beruhigendes Resultat: Wer im Notfall medizinische Hilfe benötigt, wird in München gut versorgt, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Das zeigen die Analysen des Runden Tisches zur Notfallversorgung, die am Dienstag dem Stadtrat präsentiert worden sind. Am Mittwochabend widmete sich das SZ-Forum Gesundheit im Klinikum Bogenhausen aus diesem Anlass demselben "in der Bevölkerung emotional stark aufgeladenen Thema", wie es der Geschäftsführer des Städtischen Klinikums, Axel Fischer, ausdrückte. Die neun Referenten - allesamt Vertreter der auch am Runden Tisch beteiligten Institutionen - machten in ihren Beiträgen deutlich, dass weder Versorger noch Politik sich auf dem guten Ist-Stand ausruhen sollten.

Eines der Hauptprobleme: Die Anzahl der in Kliniken behandelten Notfälle steigt seit langem stark an. Nicht so aber die Kapazität der Krankenhäuser. 40 Prozent mehr Notfälle waren es 2014 gegenüber dem Jahr 2005, wie der Anästhesist Stephan Prückner vom Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement der Ludwig-Maximilians-Universität aufzeigte. In München weist die Statistik der am Runden Tisch beteiligten Kliniken zwischen Juli 2013 und Juni 2014 insgesamt 524 716 Notfälle aus, etwa 96 Prozent des Gesamtaufkommens in der Stadt. Insbesondere bei den ambulanten Fällen, also jenen, bei denen der Patient nach der Behandlung wieder nach hause gehen kann, ist die Zunahme besonders stark. "Wir hinken dieser Entwicklung hinterher", so Prückner. Dass die Notfallzentren der Kliniken häufig unter enormem Druck arbeiteten müssen, der zum Teil gar nicht nötig wäre, bestätigte auch der Chefarzt des Notfallzentrums am Klinikum Bogenhausen, Christoph Dodt. "Wir sind froh um jeden, der anderswo behandelt wird und eigentlich nicht bei uns in der Notaufnahme sein müsste."

Die Prognose des Runden Tisches bis zum Jahr 2030 sieht keine Trendumkehr voraus, im Gegenteil. Bevölkerungszuwachs, mehr Touristen, Alterung der Gesellschaft und ein sich veränderndes Patientenverhalten hat der Runde Tisch als Gründe identifiziert. Ebenso führt der Wegfall von niedergelassenen Fachärzten zu mehr Patienten in den Notfallstationen. Diese Entwicklung treffe München zwar weit weniger stark als den ländlichen Raum, aber zeige sich in manchen Stadtteilen eben doch, wie Stimmen aus dem Publikum anmahnten.

In der Statistik des Runden Tisches besonders bemerkenswert sei die hohe Zahl der jungen Menschen in den Notaufnahmen, so Prückner. "Die 25- bis 35-jährigen gehen zum Hausarzt nur noch für eine Krankschreibung." Für Behandlungen aber suchten sie die Kliniken auf. Forums-Moderator Karl-Walter Jauch, ärztlicher Direktor des Klinikums Großhadern, sieht hier vor allem ein Vermittlungsproblem. "Wir müssen den jungen Menschen den Unterschied zwischen Hausarzt und Klinik klarmachen." Für eine ambulante Notfallversorgung - so wünschen es sich die Krankenhausvertreter - sollten die Münchner in erster Linie den ärztlichen Bereitschaftsdienst in Anspruch nehmen, der über die Telefonnumer 116 117 bundesweit erreichbar ist. "Es gibt in München eine gut funktionierende Notarztstruktur außerhalb der Krankenhäuser", sagte Gökan Katipoglu, Leiter des Notdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB). Mehr als 60 000 behandelte Notfälle im Untersuchungszeitraum seien dafür ebenso ein Ausweis wie die KVB-Bereitschaftspraxis im Elisenhof, die täglich bis 23 Uhr geöffnet hat.

Vertreter der Kliniken sehen die Kassenärztliche Vereinigung dennoch in der Pflicht, mehr zu tun und Portalpraxen zu schaffen. Nach dem im November von der Großen Koalition beschlossen Krankenhausstrukturgesetz sollen bundesweit an Krankenhäusern angesiedelte Kassenpraxen den Strom der Notfallpatienten lenken und für die Notaufnahmen filtern. In den Neubauplänen des Städtischen Klinikums sei Platz für Portalpraxen vorgesehen, sagte Geschäftsführer Axel Fischer. "Man muss schauen, ob dieser dann tatsächlich gefüllt wird."

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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