"Süperopa":Unter Starkstrom

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"Die Leute zu berühren - darum geht's", sagt Adnan Maral. (Foto: Robert Haas)

Schauspieler Adnan Maral wurde in "Türkisch für Anfänger" bekannt. Er dreht und schreibt Bücher. Oft geht es darin um seine eigene Geschichte: die Deutschen, die Türken und die Klischees

Von Gerhard Fischer

Adnan Maral sieht müde aus. Es war ein langer Tag. Er fuhr die Kinder zur Schule, er sprach mit Filmverleihern. Und der Tag ist noch nicht vorbei. Gleich geht er mit den Kollegen zur Weihnachtsfeier. Alles ist schön, alles ist spannend, aber Maral ist am Ende des Jahres auch fertig. Man sieht es an seinen Augen, die kleiner sind als sonst. Und man merkt es daran, wie er spricht: Er formuliert manchmal die Gedanken nicht aus.

Dabei ist Maral eigentlich ein Mensch, der mehr Energie hat als ein Starkstromaggregat. Mehr Ideen als ein Autorenpool für Serien. Mehr Begeisterung als ein Kind vor Weihnachten. Das ist natürlich übertrieben. Aber bloß ein bisschen.

Maral sitzt am Montagabend vor Weihnachten im Büro seiner Filmfirma Yalla Productions in der Isarvorstadt. Die Leinwand, auf dem er den Verleihern am Nachmittag "Servus, Schwiegersohn" gezeigt hat, hängt noch im Raum. Yalla hat den Film für die ARD produziert, er könnte aber auch ins Kino kommen, wenn alles gut geht.

Adnan Maral spielt selber mit. Er ist Toni Freitag - ein Mann, der in Bayern lebt und seine türkische Herkunft verleugnet. Freitag hat den Namen seiner Frau angenommen und er will in seinem Dorf Schützenkönig werden. Dann bringt seine Tochter Osman mit, einen Berliner mit türkischen Wurzeln. "Toni Freitag gibt alles, um Osman loszuwerden", sagt Maral und lacht auf. Er hat das oft: so ein Auflachen. Da erinnert er dann ein bisschen an Elyas M'Barek.

"Servus, Schwiegersohn ist Yalla-Style", sagt Adnan Maral. "Wir haben uns bewusst entschieden, Cross-Culture-Filme zu machen." Das Leben der Türken in Deutschland ist das Thema seines Lebens; und das Thema seiner Filme. "Es gibt drei Millionen deutsche Bürger mit türkischer Herkunft", sagt er. "Das können ja wohl nicht alle Gemüsehändler, Dönerverkäufer oder Kleinkriminelle sein - als solche werden sie aber meistens im Fernsehen gezeigt."

In seinen Filmen habe jede Figur ihre Geschichte, sagt Maral, mit ihren Eigenheiten, mit ihrer Vergangenheit. Und Klischees seien bloß gut, wenn sie gebrochen würden. "Wir sind aber nicht arthousig, sondern schon Mainstream - wir machen Geschichten mit Tiefe, aber auch mit Leichtigkeit." Unterhaltsam sollen sie sein. Und keine Migrationsgeschichten mit erhobenem Zeigefinger.

"Die Leute zu berühren - darum geht's", sagt Maral, der in Fahrt kommt; er redet jetzt auch mit den Händen. "Eine Verleiherin hatte heute Nachmittag ein Tränchen im Auge."

Adnan Maral wird 1968 in der Türke geboren und wächst im Frankfurter Gallus-Viertel auf. Das Viertel hat in den 1970er-Jahren einen Ausländeranteil von 30 Prozent, was damals ungewöhnlich hoch gewesen ist. Der Junge geht auf die türkische Schule und ist sehr gut; er kommt auf die deutsche Schule und ist nur noch mittelmäßig. "Dort wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass ich anders bin", sagt Adnan Maral.

Aber Hindernisse treiben den 50-Jährigen an. Er kämpft um Anerkennung; und er setzt sich immer wieder mit seinem Deutschsein auseinander. Das ist sein Lebensthema. "Ist ein Adnan Maral nicht auch Deutscher - mit allem, was er mitbringt?", fragt er in seinem Büro in der Isarvorstadt.

Die Familie hat in Frankfurt Probleme. Der Vater ist arbeitslos. Die Mutter klagt, dass sie von Deutschen nicht gegrüßt wird. Der Teenager Adnan testet Grenzen aus, geht nicht zur Schule, fängt blaue Briefe ab, klaut. Halt findet er in einer Theatergruppe an der Schule. Er will Schauspieler werden. Als er nach dem Abitur an keiner Schauspielschule genommen wird, studiert er an der Hochschule für Gestalten in Offenbach, die eine Filmklasse hat. Sein Abschlussfilm ist "Teppichdiebe", in dem zwei junge türkische Einwanderer nach Anerkennung suchen. Maral lacht auf und sagt: "Der Film lief um 0.30 Uhr im HR." Kaum einer sieht ihn.

Er fährt von Casting zu Casting, spielt Taxifahrer und Gemüsehändler. Das Geld reicht nicht. Er jobbt als Kameramann, verkauft auf dem Flohmarkt Lederjacken, überführt Autos in die Türkei.

Als er fast 30 ist, bekommt er endlich ein festes Engagement an einem Theater in Berlin. Dann spielt er - neben Elyas M'Barek - Kommissar Metin in der Serie "Türkisch für Anfänger", die in etwa 70 Ländern lief. Die Rolle seines Lebens. Bisher.

Zu dieser Zeit ist er längst mit der Schweizerin Franziska verheiratet. Ihr erstes Kind stirbt, nachdem es nicht einmal zwei Stunden auf der Welt gewesen ist. "Das gemeinsame Trauern hat uns noch näher zueinander gebracht", sagt Adnan Maral in den "Lebenslinien" des Bayerischen Rundfunks. "Adnan hat eine gewisse Wärme", sagt seine Schwiegermutter in derselben Sendung. "Ich habe von ihm das Träumen gelernt", sagt seine Frau.

"Ich habe so viele Ideen", sagt Adnan Maral in seinem Büro in München. Sie treiben ihn um. Ein paar Tage zuvor war er noch in Berlin, irgendein Projekt. Manchmal kommt er selbst durcheinander. Eine SMS, die er einen Geschäftspartner schicken will, landet auf dem Handy des SZ-Journalisten.

Die Idee, eine eigene Filmfirma zu gründen, hat er lange im Kopf. "Aber alles war immer wichtiger: die Schauspielerei, die Familie, die Kinder." Seine Kinder sind 14, zwölf und acht. "Was heißt, ,alles war wichtiger'", sagt er dann und lacht auf. "Familie ist ja wirklich sehr wichtig."

Maral gründet schließlich 2015 Yalla Productions. "Ich kann jetzt genau machen, was ich will - das tut so gut!", sagt er. Diesmal lacht er nicht auf. Er grinst breit. Zu seinem Team gehören seine Frau Franziska und Eva Tonkel, Produzentin und Ehefrau des Schauspielers Jürgen Tonkel. "Es ist sehr familiär", sagt Adnan Maral.

Für Tele 5 holt er gerade seine Mutter Nezaket vor die Kamera. Mit kurzen Videos kündigen die beiden Filme an, etwa "Kick it like Beckham", in dem ein indischstämmiges Mädchen in London wie ihr Vorbild David Beckham Fußball spielt. "Der Punkt war: Was ist der Blick meiner Mutter?", sagt Maral. Zum Beispiel fragt er: "Mama, wie findest du Frauenfußball?"

Das Projekt mit der Mama macht ihm Spaß. Man merkt das. Als er davon erzählt, lacht er noch ein bisschen mehr.

Es wird Zeit, zur Weihnachtsfeier zu gehen. Aber über ein Projekt muss noch geredet werden. Es ist ein Buch. Adnan Maral hat "Süperopa" geschrieben. Süperopa ist natürlich ein Türke. Er heißt Kenan. Als seine Frau stirbt, zieht er zu seinem Sohn, mit dem er sich nicht versteht. Einmal wird er vom Schnarchen des Sohnes wach, da weckt er ihn und sagt: "Kein Türke würde so schnarchen."

Maral lacht wieder auf, als er das sagt.

Der Opa Kenan wird zum Süperopa, als er in einem Labor, in dem er als Hausmeister gearbeitet hat, mit Viren infiziert wird, die ihn superstark machen. Er braucht keine Brille mehr, er braucht kein Hörgerät mehr. Und natürlich tut er Gutes. Das Buch wird im März erscheinen.

Maral erzählt fast die ganze Süperopa-Geschichte. Genau so wie er die Geschichte von "Servus, Schwiegersohn" ausführlich erzählt hat. Und jene mit den Filmen über seine Mutter auch. Er erzählt gerne Geschichten. Er redet überhaupt sehr viel. Weil er sich gerne mitteilt - im Gespräch, über Filme, über Bücher, über Rollen.

Aus "Süperopa" wird Maral übrigens auch einen Film machen. Und mitspielen.

Eineinhalb Stunden sind vergangen. Maral packt seine Sachen. Zusammen mit Eva Tonkel verlässt er das Büro. Als sie unten auf der Straße stehen, sagt Tonkel: "Yalla passt in dieses Viertel, es ist bunt." Und Yalla passt zu Adnan Maral. Es ist türkisch (und arabisch) und heißt: "Los geht's!"

© SZ vom 03.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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