"Drei Meter Valentin für daheim" vom 10. Oktober:
Eine falsche Behauptung wird nicht dadurch richtig, dass sie unverdrossen wiederholt wird (zuletzt im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung vom 30. Mai 2017; Anm. d. Red.: der Spruch "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" war Bestandteil eines Hamburger Karl-Valentin-Theaterabends und war zugleich der Titel jenes SZ-Beitrages).
Der angebliche Valentin-Spruch "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" ist aber einfach nicht von Valentin. Der Spruch ist auch kein Spruch, sondern ein Dialog. Er kommt vor in der ersten Filmoper überhaupt, "Die verkaufte Braut" (nach Smetana, Regie: Max Ophüls) aus dem Jahr 1932. Der Film ist auf Youtube in Gänze einsehbar; die kurze Szene findet sich ab Minute 20:51. Esmeralda (Annemarie Sörensen) ist Tänzerin und Pflegetochter des Zirkusdirektors Heinrich Brummer (Karl Valentin) und von dessen Gattin (Liesl Karlstadt). Wenzel (Paul Kemp), der reiche Bauernsohn, soll Marie, die Tochter des Bürgermeisters, heiraten, die aber den Postmeister Hans liebt - und Wenzel liebt eben Esmeralda. In der Szene sitzen die beiden nebeneinander auf der Holztreppe des Zirkuswagens. Esmeralda spielt Akkordeon, hält inne: Wenzel (zu Esmeralda): "Kunst ist schön!" Esmeralda (blickt Wenzel an): "Macht aber viel Arbeit!" Wenzel: "Ja!" (stützt das Gesicht in die Hand). Erst nach diesem Dialog hat Karl Valentin in dem Film seinen ersten Auftritt. Ein Polizist meldet sich wegen "polizeilicher Vorschriften", die Zirkusdirektorin (Karlstadt) ruft ihren Mann, der am Zeltdach arbeitet, sagt ihm, um was es geht, und Zirkusdirektor Brummer (Karl Valentin) ruft von oben herab: "Polizeiliche Vorschriften ham mir genug!"
Einen Beleg dafür, dass der Münchner Komiker irgendetwas mit dem Drehbuch von Curt Alexander und Max Ophüls nach dem Libretto von Karel Sabina zu tun haben könnte, hat bisher niemand erbringen können, selbst der das Copyright nach Karl Valentin so wachsam hütende Münchner Rechtsanwalt Gunter Fette nicht. So wird der Satz weiter verbreitet, nicht zuletzt auf Postkartentüten der Kunstbuchhandlung Walter König im Lenbachhaus.
Mitgeteilt habe ich diese Korrektur erstmals in der Studie "Die rote Zibebe. Auf den Spuren zweier Improvisationen von Bert Brecht und Karl Valentin. Mit einer unbekannten Regienotiz Brechts" (in: Juni. Magazin für Literatur und Kunst, Bielefeld, H. 49/50, April 2015, S. 11-92, hier S. 80). Es braucht aber sicher noch eine ganze Weile, bis sich diese neue Erkenntnis herumspricht. Dr. Dirk Heißerer, München
Anm. d. Red.: Auf der von seinen Nachfahren betriebenen Internet-Homepage Karl Valentins wird ihm dieses Zitat wie selbstverständlich zugeschrieben. Obendrein könnte man im Sinne des großen Münchner Künstlers sagen, dass ihm das Zitat schon so oft zugeschrieben worden ist, dass er es auf alle Fälle postum gesagt haben muss...