Streit um den Ausbau der S-Bahn:Die SPD allein zu Haus

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"Das kann doch nicht Ihr Ernst sein": Im Rathaus zeichnet sich ein breites Bündnis gegen den zweiten Stammstrecken-Tunnel unter der City ab.

Dominik Hutter

Zweite Stammstrecke samt zusätzlicher Untertunnelung der City oder doch lieber der Südring, eine neue Strecke südlich um die Innenstadt herum? Allmählich wird es etwas unübersichtlich in der Debatte um den Ausbau der Münchner S-Bahn. Der aktuelle Stand: Nur Münchens SPD steht ohne Wenn und Aber hinter der Pro-Tunnel-Haltung der CSU-geführten Staatsregierung - als einzige Rathausfraktion.

Mittendurch oder unten herum? Münchens S-Bahn ist überlastet. Die Ausbau-Variante des Südrings findet immer mehr Anhänger in der Stadt, während der Freistaat auf den zweiten City-Tunnel setzt. (Foto: Grafik: SZ)

Die christsozialen Stadträte zweifeln neuerdings an der Linie des Freistaats und fordern alternativ eine Prüfung des Südrings - gemeinsam mit Linken, FDP, Freien Wählern und Teilen der Grünen. Die Grünen sind in zwei Lager gespalten, während die FDP zwar im Rathaus Einigkeit demonstriert, mit ihrer Pro-Südring-Haltung aber in Opposition zum liberalen Verkehrsminister Martin Zeil steht.

Da passt es ins Bild, dass sich der Planungsausschuss des Stadtrats bei seiner Sitzung am Mittwoch darauf einigte, den große S-Bahn-Disput ins Plenum am 20. Mai zu vertagen - um wenige Minuten später mit einer heftigen Diskussion zu beginnen, die sich dann über gut zwei Stunden hinzog. Ein Beschluss wurde nicht gefasst, es zeichnet sich aber ab, dass es im Stadtrat wohl eine Mehrheit geben wird für die Aufnahme gleichberechtigter Planungen zum Südring.

"Auch der Tunnel könnte frühestens 2020 oder 2022 fertig werden", zitierte Grünen-Stadträtin Sabine Nallinger aus Papieren des Verkehrsministeriums. Da bleibe genug Zeit, um fundierte Planungen auch für den Südring auszutüfteln.

"Wir brauchen eine gute Grundlage, um über ein solch langfristiges Projekt zu entscheiden", begründete CSU-Stadträtin Mechthilde Wittmann den überraschenden Kurswechsel ihrer Fraktion. Ihr Kollege Hans Podiuk hielte es für geradezu "fahrlässig", bei einem derart wichtigen Bauvorhaben nicht alle Alternativen ausreichend geprüft zu haben.

Die SPD geißelte die plötzliche Südring-Sympathie im schwarzen Lager als parteipolitisches Spielchen. Offenbar wolle die CSU Rot-Grün vorführen, mutmaßte Stadtrat Ingo Mittermaier - eine Haltung, die nicht mehr als verantwortungsbewusste Politik bezeichnet werden könne. Die CSU wies dies energisch zurück. Beobachter gehen davon aus, dass vor allem der Einfluss des Verkehrsexperten und langjährigen Tunnelkritikers Georg Kronawitter, der erst seit 2008 für die CSU im Stadtrat sitzt, den Meinungsumschwung befördert hat.

"Das kann nicht Ihr Ernst sein", reagierte Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) auf die Ausführungen der CSU. Der Vorwurf, Alternativen zum zweiten Tunnel seien noch nicht ausreichend geprüft worden, sei eine "schallenden Ohrfeige" für die Politiker des Freistaats. "Ich rate davon ab, mit der CSU-geführten Staatsregierung derart grobschlächtig umzugehen." Tatsächlich sei "das Thema abgearbeitet wie kaum ein anderes in der bayerischen Verkehrspolitik".

Ude erinnerte an die Untersuchungen des früheren Verkehrsministers Otto Wiesheu (CSU) - gipfelnd in der 2001 vorgelegten Machbarkeitsstudie, bei der es exakt um die Frage "Tunnel oder Südring" gegangen sei. Zum Erstaunen auch der städtischen Experten habe sich damals herausgestellt, dass ein zentral durch die Innenstadt geführter Tunnel die wesentlich bessere Lösung sei.

Ude bezeichnete die Haltung der CSU als "grob fahrlässig". Die am Mittwoch in der SZ veröffentlichten Aussagen des verkehrspolitischen Sprechers der CSU-Landtagsfraktion, Eberhard Rotter, zeigten, wie ein solches Hin und Her bei denen ankomme, die tatsächlich die Entscheidung über den Münchner S-Bahn-Ausbau fällten: den Abgeordneten im Maximilianeum. Rotter hatte gewarnt, München könne ganz leer ausgehen im Rennen um die Verkehrsgelder des Freistaats, wenn der Eindruck entstehe, der zweite S-Bahn-Tunnel sei gar nicht wirklich gewollt. "Das Schlimme ist: Ich kann ihm nicht widersprechen", erklärte Ude, "ich würde an seiner Stelle dieselbe Position vertreten."

Nach Einschätzung von Albert Scheller, dem für die zweite Stammstrecke zuständigen Planungsexperten der Deutschen Bahn, würde ein Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Südring etwa fünf Jahre dauern. Denn alle bisherigen Überlegungen, so assistierte Stephan Reiß-Schmidt vom Planungsreferat, seien noch sehr grob: "Die Zahlen halten keiner Nachprüfung stand."

© SZ vom 30.04.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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