Streit um Betreuungsmodelle:Ganztag ist nicht gleich Ganztag

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Stadt und Freistaat streiten über die Modelle, wie Grundschulkinder künftig nachmittags betreut werden: Das Rathaus will pädagogisch ehrgeizige Konzepte, das Ministerium möchte vor allem die Eltern entlasten

Von Melanie Staudinger

Zwischen der Stadt München und dem bayerischen Kultusministerium bahnt sich ein Streit an über die künftige Ausgestaltung der Ganztagsbetreuung an Grundschulen. Der Freistaat will im kommenden Jahr die offenen Ganztagsklassen, bei denen Eltern entscheiden können, wie oft in der Woche ihre Kinder am Nachmittag betreut werden, massiv ausbauen. Doch Schulbürgermeisterin Christine Strobl und das von Stadtschulrat Rainer Schweppe (beide SPD) geführte Bildungsreferat halten dieses Angebot für pädagogisch nur wenig sinnvoll. Die staatlichen Grundschulen sollten lieber auf den gebundenen Ganztag mit einer Abwechslung von Unterricht und Erholungsphasen am Vormittag und am Nachmittag setzen. "Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen", sagt Kultusminister Ludwig Spaenle in seiner Eigenschaft als Münchner CSU-Chef.

Ihn erzürnen vor allem die Aussagen von Strobl bei einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche. Dort äußerte sie massive Zweifel am Modell der offenen Ganztagsgruppen. Es dürfe kein Nebeneinander zwischen Vormittag und Nachmittag geben, sondern vielmehr ein abgestimmtes Konzept für den ganzen Tag. Dies lasse sich nur in der gebundenen Form organisieren. Strobl kritisierte zudem, dass es nach den Vorgaben des Kultusministeriums entweder nur einen offenen Ganztag oder Mittagsbetreuung geben dürfe. Sie fürchte, dass letztere schließen müssten.

Diese Aussagen will der Münchner CSU-Chef Spaenle so nicht stehen lassen. Er erwarte von der Stadt München, dass sie ihrer Aufgabe nachkomme und einzelne Modelle nicht von vorneherein schlecht rede oder gar ausschließe. Die Vorteile der offenen Gruppen liegen für ihn auf der Hand: Eltern müssten anders als bei der Mittagsbetreuung nichts bezahlen. "Den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen in München können wir doch nur mit einer Vielfalt an Angeboten begegnen", sagt Spaenle.

Ähnlich sieht es die Stadtratsfraktion der CSU. "Die Eltern wollen verschiedene Angebote", sagt die schulpolitische Sprecherin Beatrix Burkhardt. Man müsse schauen, an welchen Schulen das Modell passe und an welchen nicht. Schulamtsleiterin Alexandra Brumann könne sich nach eigenen Angaben vorstellen, dass vor allem die neuen Grundschulen, die in den kommenden Jahren eröffnen sollen, in Frage kämen. Anders als in bestehenden Einrichtungen gebe es dort noch keine Mittagsbetreuung. "Wir sind gerade dabei, alle Grundschulen über das neue Modell zu informieren", sagt Brumann. Die Schulfamilie solle unabhängig entscheiden, welche Angebote sie in ihrer Einrichtung wolle. "Dass der gebundene Ganztag ein gutes pädagogisches Modell ist, darin sind wir uns einig", sagt Brumann. Es gebe allerdings auch Eltern, die ihr Kind nicht jeden Nachmittag betreuen lassen wollten, damit es zum Beispiel noch Zeit für den Sportverein oder die Ballettstunden habe.

Das Pilotprojekt der offenen Ganztagsklassen startete in diesem Schuljahr mit 300 Gruppen bayernweit. Aus München meldete sich eine Förderschule, jedoch keine einzige Grundschule. Schulamtsleiterin Brumann erklärte die Zurückhaltung im Sommer mit organisatorischen Schwierigkeiten und einem zu kurzen zeitlichen Vorlauf. Zum September nun soll die Zahl der offenen Ganztagsklassen in ganz Bayern um 1000 Gruppen erhöht werden, bis zum Frühjahr haben die Schulen Zeit, um sich zu bewerben. Den Antrag kann aber nur die Sachaufwandsträgerin stellen, und die ist für alle staatlichen Grundschulen die Stadt München. Wie genau es weitergehen wird, ist unklar. Das Bildungsreferat teilt auf Nachfrage mit, dass es gerade einen Grundsatzbeschluss erarbeite. Zum Inhalt will die Sprecherin nichts verraten.

© SZ vom 26.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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