Streit in der Koalition:Doppelte Parteibuch-Wirtschaft

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Zwei städtische Baugesellschaften brauchen neue Chefs, zwei Parteien tragen die Koalition: Da ist es keine große Überraschung, dass zwei Stadträte von CSU und SPD zum Zuge kommen sollen. Doch plötzlich sorgt der Fall im Rathaus für enormes Gezerre

Von Heiner Effern

Der Wohnungsbau ist eines der größten und wichtigsten Anliegen der Rathausmehrheit, betonen SPD und CSU mindestens so regelmäßig, wie der FC Bayern seine Heimspiele gewinnt. Richtig Einfluss darauf hat die Politik über die städtischen Wohnungsgesellschaften. Die sollen künftig bei Neubauten viel stärker ranklotzen.

Und wie es der Zufall will, gehen drei der vier Geschäftsführer von GWG und Gewofag bis Ende des Jahres in den Ruhestand. Bewerber von außen sollten sich wohl auf den zweiten frei werdenden Posten bei der GWG konzentrieren. Stand jetzt planen nämlich die Fraktionen von CSU und SPD, zwei der lukrativen Posten mit eigenen Leuten zu besetzen.

Die beiden Stadträte Max Straßer (CSU) und Christian Amlong (SPD) wollen sich bewerben. Das bestätigen beide Fraktionen. Und sie werden wohl auch gewählt. Denn wen man aus der Fraktionsspitze von CSU und SPD auch immer fragt, die Antwort ist immer gleich: Alle halten den eigenen Mann für sehr kompetent. Und natürlich auch den der anderen Seite.

Es soll zwar auch Stadträte geben, die das nicht so eindeutig sehen. Doch allen ist klar: Den eigenen Mann zu wählen, den anderen aber nicht, würde schwerste Verwerfungen im Rathaus nach sich ziehen. Oder gar einen Bruch des Bündnisses. So schien alles geregelt, doch nun grätscht die SPD dazwischen. Die Partei, nicht die Fraktion. Der engere Vorstand lehnt den sich anbahnende Geschäftsführer-Deal in den Aufsichtsräten ab. Der rieche zu sehr nach Mauschelei, sagt ein hochrangiges SPD-Mitglied.

Als in den Turnus-Spitzen-Gesprächen im Rathaus diese Wende bekannt wurde, kam es zum massiven Streit zwischen CSU und SPD. Manche aus der SPD sprechen davon, dass die CSU mit dem Bündnisbruch gedroht habe, falls nicht gewählt werde wie gewünscht. Führende CSUler weisen das zurück.

Eskalieren würde die Situation nur, wenn man über den Tisch gezogen würde. Also die SPD ihren Mann Amlong wähle, den CSU-Kollegen Straßer aber nicht. Beide hätten aber nach internen Rücksprachen erklärt, sich in jedem Fall bewerben zu wollen. Beide waren am Freitag nicht zu erreichen.

Nun liegt der Ball bei der SPD: Aus der Fraktionsspitze ist zu hören, dass der Parteivorstand mit seiner Moral ziemlich blauäugig daherkomme. Man könne Amlong "ja nicht fesseln, um ihn an der Bewerbung zu hindern. Da überschätzt der Vorstand unseren Einfluss". Und wenn sich beide bewerben würden, stünde das Ergebnis mit großer Wahrscheinlichkeit fest. "Da kann der Parteivorstand so viele Beschlüsse fassen wie er will."

Natürlich ist auch der SPD-Fraktionsspitze klar, dass es nach außen blöd aussieht, wenn zwei Spitzenposten mit einem jeweiligen Gehalt von 180 000 bis 250 000 Euro im Jahr an die eigenen Leute vergeben würden. Aber wenn das Parteibuch für kompetente Kandidaten ein Hindernis werde, sich für städtische Spitzenposten zu bewerben, dann sei das "eine völlige Verdrehung von Sinnhaftigkeit", sagt Hans Dieter Kaplan, Vize-Fraktionschef der SPD.

Ein anderes Mitglied spricht von einer "Scheißsituation", auch menschlich. Wie solle man einen Partei- und Stadtratskollegen, dem man das Amt zutraue, erklären, dass man ihn nicht wähle? Aus politischer Korrektheit?

Straßer und Amlong sind Juristen. Beide beschäftigen sich beruflich und politisch schon lange mit Planen und Bauen. CSU-Mann Straßer ist in einer Bank mit der Finanzierung von Bauvorhaben betraut. Amlong ist planungspolitischer Sprecher der SPD und leitete zuletzt auch die Stadtgestaltungskommission. Was allerdings nicht heißen muss, dass sie automatisch auch bei den Bewerberrunden in den Aufsichtsräten die beste Leistung abliefern.

Wenn man in den Fraktionen nachfragt, was denn passiere, wenn einer der Stadträte tatsächlich überzeugt, der andere aber im Vergleich zu externen Kandidaten deutlich abfällt, stößt man auf das Prinzip Hoffnung. Wird schon nicht so kommen, die beiden sind ja kompetent, heißt es. Wenn nur einer gewählt würde, hätte das Rathausbündnis ein schweres Problem, sagt ein einflussreicher CSUler.

Die CSU hat wegen der sich abzeichnenden Besetzung der Posten durch die beiden Stadträte deutlich weniger Bedenken als die SPD. Dabei fuhr sie im Wahlkampf schwere Angriffe auf Rot-Grün, weil sie im Rathaus überall Mauscheleien und Parteibuch-Besetzungen witterte. Das müsse anders werden, forderten Josef Schmid und seine Getreuen.

In diesem besonderen Fall sei die Lage aber anders. Schließlich würden hier nicht verdienten Parteimitgliedern Posten zugeschanzt, für die sie keine Eignung hätten, wie es bei Rot-Grün oft der Fall gewesen sei. Sondern zwei geeignete Kandidaten würden Ämter übernehmen, in denen man sich ohnehin mehr politischen Willen als architektonische Freidenkerei wünsche. Nicht selbstverliebte Projekte seien nun gewünscht, sondern sehr, sehr viele Wohnungen. Da seien politisch versierte Geschäftsführer ein Vorteil.

Die drei neuen und der eine alte, geschätzte Gewofag-Geschäftsführer Klaus-Michael Dengler werden auch auf Dauer zwei unterschiedliche Gesellschaften führen. Die angedachte Fusion zu einem Unternehmen sei "ad acta" gelegt, heißt es aus der SPD-Fraktion. CSU und die Parteispitze der SPD standen dieser ohnehin kritisch gegenüber. Wird nun gewählt wie ursprünglich geplant, wird noch ein neuer Geschäftsführer gesucht. Bei Straßer und Amlong könne man nur hoffen, sagt ein hohes SPD-Mitglied, dass ihre Arbeit ihre Wahl dann auch rechtfertige.

© SZ vom 09.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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