Streiks in Tagesstätten:Eltern müssen sich um Betreuung kümmern

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Streiks in städtischen Kindertagesstätten rücken näher. Schon am Montag werden wahrscheinlich viele Einrichtungen geschlossen sein.

M. Thurau

In den städtischen Krippen und Kindergärten stehen die Zeichen auf Streik. Am Donnerstag soll das Ergebnis einer bundesweiten Urabstimmung vorliegen. Die Gewerkschaft Verdi rechnet mit breiter Zustimmung zu einem Ausstand, um einen Tarifvertrag zur Gesundheitsförderung durchzusetzen. Bereits am Montag und Dienstag nächster Woche sollen dann viele Einrichtungen geschlossen sein.

(Foto: Foto: dpa)

Eltern, die am gestrigen Dienstag ihr Kind zur Krippe oder in den Kindergarten brachten, konnten zur Begrüßung in einem Schreiben der Gewerkschaft lesen, dass ein Streik sogar schon von Freitag an möglich sei. Doch das soll zumindest in München nicht der Fall sein, wie es in einer Erklärung von Verdi-Geschäftsführer Heinrich Birner heißt.

Die Gewerkschaft wolle den Tag vielmehr nutzen, um über ihre Forderungen zu informieren, und den Eltern noch über das Wochenende Zeit geben, sich um eine Betreuung für ihre Kinder zu kümmern. An den beiden Streiktagen bleiben laut Verdi dann die "meisten Kinderbetreuungseinrichtungen" der Stadt geschlossen. "Für die Woche(n) darauf sind weitere Streiks, auch mehrere Tage hintereinander, in der Diskussion", heißt es in dem Schreiben weiter. Die Entscheidung darüber sei allerdings noch nicht gefallen.

Voraussetzung für den Ausstand freilich ist, dass bundesweit 75 Prozent der organisierten Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst - in München etwa 6000 - dafür stimmen. Die Befragung dauert noch bis zum heutigen Nachmittag. Die Bundesspitzen von Verdi und GEW geben sich allerdings zuversichtlich. Beteiligung und Zustimmung unter den Mitgliedern seien groß. Allein in München waren bei einem Warnstreik am vergangenen Mittwoch 2000 Erzieherinnen für einen verbesserten Gesundheitsschutz auf die Straße gegangen.

Die Gewerkschaften fordern dafür einen eigenständigen Tarifvertrag für die Gesundheitsförderung. Viele Erzieherinnen klagten über Rückenprobleme, weil sie die kleinen Kinder ständig tragen und oft auf Kinderstühlen sitzen müssten. Immer mehr Beschäftigte litten zudem unter Lärm und Stress bei der Arbeit. Die gesundheitlichen Probleme müssten endlich angegangen werden, die Arbeitgeber aber seien nicht verhandlungsbereit.

Stimmt nicht, sagt Thomas Böhle, Personalreferent der Stadt und Chef der kommunalen Arbeitgeber. Die Gewerkschaften drückten bei einem Thema auf die Tube, das sie jahrelang nicht interessiert habe. Eigentlich, so Böhle, wollten sie vor allem Druck auf die laufenden Tarifgespräche zur künftigen Eingruppierung und Bezahlung von Erzieherinnen machen. In dieser Frage aber bestehe Friedenspflicht. In dem Konflikt gehe es natürlich auch um die "materielle Anerkennung" des Berufs, sagt Birner.

Verdi verlangt eine Einstufung, die für Berufsanfänger etwa 350 Euro im Monat mehr bedeutete, im Endgehalt knapp 1000 Euro mehr. Das sei der "wichtigen Erziehungs- und Bildungsaufgabe angemessen". Die Städte lehnen diesen Sprung mit Hinweis auf das Tarifgefüge ab.

Was die Gesundheitsförderung angeht, hätten die Kommunen Gespräche für Ende Mai angeboten, sagt Böhle. Auch sie hielten das Thema für wichtig, schließlich klagten allein drei Viertel der Beschäftigten im Erziehungsdienst über orthopädische Beschwerden. Dabei tue die Stadt seit Jahren eine Menge, um Gesundheitsbelastungen vorzubeugen. Sie biete für Erzieherinnen beispielsweise Rückenschulungen, spezielle Fitnessprogramme und Kurse zur Stressbewältigung an, verbessere wo nötig die Akustik der Einrichtungen, um die Lärmbelastung zu senke.

Gegenwärtig liefen zudem Verhandlungen mit dem Gesamtpersonalrat, um die hohen Standards in einer städtischen Dienstvereinbarung festzuschreiben. Im Juli soll der Stadtrat darüber beschließen. Es gehe um "Verbindlichkeit und Verlässlichkeit", sagt Böhle, Punkte, die auch die Gewerkschaften mit dem Tarifvertrag erreichen wollen. Selbst Verdi nenne München beim Gesundheitsschutz für Erzieherinnen einen "bundesweiten Vorreiter" und wolle genau solche Standards nun "flächendeckend" - indem sie, so Böhle, paradoxerweise den Trendsetter bestreike.

© SZ vom 13.05.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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