Streik der Erzieherinnen:"Die sind einfach unterbezahlt"

Lesezeit: 2 min

Mehr Geld allein reicht aber nicht: Der Arbeitsmediziner Dennis Nowak über den Streik der Erzieherinnen.

Anne Goebel

Wie auslaugend ist der Beruf des Erziehers? Mit dem Streik an den städtischen Kindertagesstätten am Mittwoch wollen die Betreuer auf ihre besondere körperliche Belastung hinweisen. Die Forderung: Ein spezieller Gesundheitstarifvertrag. Ein Gespräch mit Dennis Nowak, Professor für Arbeitsmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Dennis Nowak, Professor für Arbeitsmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. (Foto: Foto: oh)

SZ: Ist der Job in einer Kinderkrippe härter als andere?

Dennis Nowak: In der Arbeitsmedizin und -psychologie verwenden wir die Kategorien Einsatz und Verausgabung sowie Belohnung. Einfach gesagt: Geben und Nehmen, diese beiden müssen in Balance stehen. Bei Erziehern und in allen pflegerischen Berufen fehlt es klar auf der Belohnungsseite. Die sind einfach unterbezahlt. Lärm, Infektionsgefahr, das kann man natürlich durch die Forderung nach Zulagen ausgleichen. Nur ist das eine Art frühindustrielles Denken, das seit 50 Jahren überholt ist. Stress und Lärm lassen sich nicht besser bewältigen, indem man einen Hunderter drauflegt.

SZ: Die Erzieher wollen mit ihrem heutigen Streik ja auch auf den besonderen Schutz ihrer gesundheitlichen Belange hinaus. Eine berechtigte Forderung?

Nowak: Absolut. Die psychische und physische Beanspruchung ist hoch. Wobei das auch für die ambulante Altenpflege gilt oder die Behindertenbetreuung. Ich will die Forderungen nicht bagatellisieren, aber in anderen Berufen ist es ähnlich.

SZ: Was ist aus arbeitsmedizinischer Sicht sinnvoll?

Nowak: Jedes Unternehmen muss eine Gefährdungsanalyse machen lassen. Dabei können scheinbar banale Dinge herauskommen, die für den Berufsalltag aber entscheidend sind. Warum müssen Erzieherinnen immer auf viel zu kleinen Stühlen sitzen, nämlich auf Kinderstühlen? Warum sind die Toiletten so angebracht, dass man die Kleinen jedesmal hochheben muss? Hier können einfache Maßnahmen viel bewirken. Erzieherinnen sind kein Verbrauchsmaterial.

SZ: Die seelische Belastung zu messen und zu mildern, dürfte schwieriger sein.

Nowak: Nicht unbedingt. Unsere Studien haben gezeigt, dass die Gefährdungsbeurteilungen auch auf psychologischem Gebiet effizient sind. Das wird viel zu wenig professionell angegangen, gerade in sozialen und helfenden Berufen. Eine solche Analyse könnte zum Beispiel ergeben, dass die Erzieherinnen nicht genügend Unterstützung erhalten. Von den Eltern nicht, die vor allem mit Forderungen kommen. Und vielleicht auch nicht von der Kindergartenleitung, die ihnen nicht den Rücken stärkt.

SZ: Und was lässt sich dagegen dann unternehmen?

Nowak: Die Träger von Tagesstätten sollten externe Supervision anbieten, regelmäßig und natürlich während der Arbeitszeit. Spezielle Kurse, pädagogische Schulungen, in denen man mithilfe von Rollenspielen oder Entspannungstechniken lernt, Stress zu bewältigen. Wenn das unterbleibt, werden die Leute vorzeitig verschlissen.

© SZ vom 06.05.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: