Streik der Erzieher:Langsam werden die Eltern sauer

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Am Dienstag und Mittwoch streiken die Erzieher wieder. Verwandte aus ganz Deutschland reisen zum Kindersitten an - und die Gewerkschaft droht mit Ausweitung.

L. Himmelreich

Das Ehepaar will seinem Ärger Luft machen. Mit einem Aushang in der Hand marschieren die beiden zum Kindergarten ihrer Tochter in die Schlierseestraße. Sie finden es unmöglich, dass die Erzieherinnen über mehrere Tage hinweg streiken - und das sollen alle wissen: "Es streiken durchaus nicht alle Einrichtungen jedes Mal den ganzen Tag, wenn Verdi den wilden Mann spielt", steht auf dem Zettel, den sie im Kindergarten aufhängen wollen.

Dagmar Enzugwu befürchtet, ihr Sommerurlaub könnte ins Wasser fallen, sollte der Kindergarten ihrer Tochter Christiana (5) wegen des Streiks noch mehrere Wochen geschlossen bleiben. (Foto: Foto: Schellnegger)

Das Paar ist selbständig und kann die Tochter mit ins Büro nehmen, aber es sei schwer, der Fünfjährigen zu vermitteln, dass man keine Zeit zum Ballspielen habe, wenn ein Kunde anruft, erzählen sie. Die beiden sind überzeugt, sie sprächen im Namen des Großteils der Eltern, doch weil sie Nachteile für ihre Tochter fürchten, möchten sie nicht namentlich genannt werden. Nicht nur dieses Paar, alle Eltern, die am Montagmittag ihre Kinder von der Tagesstätte in der Schlierseestraße abholen, sind vom Streik genervt, auch wenn man die Forderungen der Erzieherinnen versteht.

"Der Unmut wird größer"

Zwei Tage in dieser Woche, Dienstag und Mittwoch, bleiben die städtischen Kindertagesstätten erneut geschlossen. Ferdinand Bell vertritt im Gemeinsamen Kindergartenbeirat die Eltern von rund 30.000 Münchner Kindern:"Der Unmut wird größer", bestätigt er. 90 Prozent der Eltern unterstützten zwar die Forderungen der Erzieherinnen nach einem tarifvertraglich geregeltem Gesundheitsschutz und einer besseren Entlohnung, doch die Geduld vieler Eltern sei langsam am Ende.

Am Mittwoch verhandeln die Gewerkschaften und die kommunalen Arbeitgeber erneut. "Wenn die Arbeitgeber absolut stur bleiben, wird es in der nächsten Woche zu massiven Streiks kommen", warnt Verdi-Gewerkschaftssekretär Jupp Stier. Sollten die Arbeitgeber Gesprächsbereitschaft signalisieren, würden die Streiks jedoch ausgesetzt.

Ein Gewinner des Streiks steht schon fest: die Bahn. Großmütter und Großväter fahren quer durch die Republik, um sich an den Streiktagen um ihre Enkel zu kümmern. Die Eltern der vierjährigen Eva brachten ihre Tochter vergangene Woche zu den Großeltern in die Nähe von Mainz. Der Opa saß insgesamt elf Stunden im Zug, als er seine Enkelin nach Ende des Streiks wieder in München ablieferte. Auch die Oma der fünfjährigen Fanny und des dreijährigen Bendix kam am Montag extra aus Heidelberg angereist, um die Enkel zu hüten.

Lieber einen Streit mit dem Mann

Die meisten berufstätigen Eltern bauen auf Verwandte oder nehmen sich für die Streiktage frei. Der Kindergarten an der Schlierseestraße forderte die Eltern auf, sich gegenseitig zu helfen. In einer Liste konnten die Eltern ihren Betreuungsbedarf anmelden. Doch die Liste blieb leer. Dagmar Ezugwu riskiert lieber einen Streit mit ihrem Mann, als ihre Tochter Christiana bei Fremden unterzubringen. Die Verhandlungen darüber, wer zu Hause bleibt, würden derzeit auch mal lauter, erzählt sie. Ihr Mann hat nur vier, sie sechs Wochen Jahresurlaub - und beide fürchten um ihren Sommerurlaub. "Im schlimmsten Fall muss ich Christiana mit ins Büro nehmen," sagt sie. Doch sie würde ihrer Tochter gerne ersparen, den Tag im langweiligen Versicherungsbüro zu verbringen.

Im Schulreferat klingelt das Telefon derzeit öfter, und auch die ein oder andere wütende Email trifft ein. Die Eltern beschweren sich bei der Stadt über den Streik und fordern ihre Kindergartengebühren und das Essensgeld zurück. Bisher sind ihre Anrufe vergeblich. Die Stadt erstattet die Kosten erst nach fünf aufeinanderfolgenden Streiktagen. Sollte es so weit kommen, werden die Gebühren automatisch rücküberwiesen.

Samra Djuhera geht es weniger ums Geld als um ihren Schlaf. Sie arbeitet in der Nachtschicht im Krankenhaus. Bleibt der Kindergarten zu, fällt ihr Schlaf am Morgen aus. Höchstens drei Stunden Ruhe bekommt sie, wenn sie sich um ihre beiden Kinder kümmern muss. "Vier oder fünf Wochen sind die Höchstgrenze, die ich das aushalte", sagt sie. Mit ihrer Geduld bildet sie unter den Eltern die Ausnahme.

© SZ vom 26.05.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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