Streik der Erzieher:"Für die Eltern tut es uns wirklich leid"

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Beim Streik der Erzieherinnen bleiben am Montag und Dienstag in München rund 400 Kinderbetreuungseinrichtungen geschlossen.

Christian Rost

Tausende Kinder werden nicht in den kommunalen Krippen, Kindergärten und Horten angenommen. Nur für Notfälle gibt es Ersatzplätze. Eltern sollten sich besser selbst eine Betreuung organisieren, besonders für die Krippenkinder.

Beim Streik der Erzieherinnen bleiben am Montag und Dienstag in München rund 400 Kinderbetreuungseinrichtungen geschlossen. (Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Die Gewerkschaft Verdi, die mit dem Arbeitskampf einen Tarifvertrag zur betrieblichen Gesundheitsförderung für das Betreuungspersonal erzwingen will, erzeugt gleich zu Beginn des Streiks enormen Druck. München wird besonders von den Folgen betroffen sein: Von den 55 kommunalen Krippen sollen 43 an den beiden Streiktagen geschlossen bleiben. Allein davon sind rund 1900 Kinder beziehungsweise deren Eltern betroffen. Darüber hinaus werden rund 250 von 380 Kindergärten und bis zu 100 Horte und Tagesheime komplett bestreikt, wie Heinrich Birner von Verdi der SZ sagte.

Gerade alleinerziehende Mütter und Väter von bis zu Dreijährigen stehen damit vor einem Problem, wenn sie für die Betreuung keinen Ersatz im privaten Umfeld finden. Sabine Kosch vom Elternbeirat der Krippe in der Mathunistraße in Laim berichtet von zwei Müttern, die schon beim Warnstreik der Erzieherinnen am 6. Mai um ihre Arbeitsplätze fürchteten: "Sie standen mit ihren Kindern morgens vor der Krippe und meinten, wenn sie in der nächsten Stunde niemanden fänden, der sich um ihre Kinder kümmert, seien sie ihre Jobs los." Ob der Streik angesichts solcher Ängste noch verhältnismäßig sei?, fragt Kosch.

"Für die Eltern, die Probleme bekommen, tut es uns wirklich leid. Aber: Streik ist Streik", sagt Birner. In besonderen Härtefällen wollen sich sowohl Verdi wie auch das Sozialreferat der Stadt, das für die Krippen zuständig ist, um Notplätze in den wenigen geöffneten Einrichtungen bemühen. Eine Garantie für einen Platz gibt es aber nicht. Ansprechpartnerinnen sind in jedem Fall die Leiterinnen der eigenen Betreuungseinrichtung vor Ort, das gilt auch für die Kindergärten und Horte. Da es aber gerade bei kleinen Kindern besonders schwierig sei, diese in fremder Umgebung ohne die bekannten Bezugspersonen in Obhut zu geben, sind "Elternnetzwerke eine bessere Lösung als Ersatzkrippenplätze", wie Fabian Riedl vom Sozialreferat sagt. Die Eltern sollten rechtzeitig eine Betreuung organisieren.

"Das muss aber alles privat ablaufen", gibt Ellen Kruse vom gemeinsamen Elternbeirat der städtischen Kinderkrippen zu bedenken. Aus versicherungsrechtlichen Gründen könnten die Eltern nicht einfach die Räume der Krippe oder des Kindergartens nutzen, um dort abwechselnd auf die Kinder aufzupassen. Auf die Schnelle eine Tagesmutter zu suchen, davon rät Kruse ab: "Es ist schon schwierig, überhaupt jemanden zu finden, der noch Kapazitäten frei hat." Außerdem sei es Vertrauenssache, wem man sein Kind in die Hände gebe. Die Vorsitzende des Krippen-Elternbeirats weiß, dass insbesondere alleinstehende Krankenschwestern oder Verkäuferinnen auf die Betreuungseinrichtungen angewiesen seien. Doch auch in anderen Branchen gilt: Im Streikfall dürfen Kinder nicht einfach ohne Absprache mit dem Chef mit zur Arbeit gebracht werden. Wer wegen seines Kindes zu Hause bleibt, erhält kein Gehalt für den ausgefallenen Arbeitstag.

Trotz der vielen Probleme, die der Streik mit sich bringt, zeigt Ellen Kruse Verständnis für die Erzieherinnen und ihr Anliegen: "Es geht doch nur vordergründig um gesundheitliche Aspekte des Personals, wir wissen doch alle, dass eigentlich die ständige Mehrbelastung und die schlechte Bezahlung das Thema sind." Nach 15 Berufsjahren verdienen die Erzieherinnen laut Gewerkschaft knapp 2500 Euro brutto. Die kommunalen Arbeitgeber weichen nach Kruses Ansicht die Qualität der Kinderbetreuung mit dieser Sparpolitik immer mehr auf: "Wenn das so weiter geht, landen wir bei der Käfighaltung von Kindern."

Auch in den folgenden Tagen und Wochen ist mit Streiks zu rechnen. Die Einrichtungen kirchlicher oder privater Träger sind nicht davon betroffen.

© SZ vom 16.05.2009/wib - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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