Streik bei der Post:Abteilung Attacke

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3000 Mitarbeiter der Post sind am Montag von der Arnulfstraße zur Parteizentrale der CSU in der Nymphenburger Straße gezogen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Erneut demonstrieren Paketboten und Briefträger für gerechtere Löhne. Ihr Streik hat bislang wenig Aufmerksamkeit erzeugt - nun macht Verdi Druck

Von Katja Riedel

Ein Meer aus rot-weißen Fahnen breitet sich am Montagvormittag vor der Münchner Zentrale der Deutschen Post an der Arnulfstraße aus. Ein Pfeifkonzert betäubt die Ohren. Die Stimmung ist aufgeheizt, nicht nur, weil die Sonne auf die Menge scheint. Einer der streikenden Paketboten und Briefträger hat auf den Holzstiel, an dem seine Fahne hängt, seine Mission geschrieben: "Appel-Attacke".

Gemeint ist Frank Appel, der Vorstandsvorsitzende jenes Konzerns, gegen dessen Sparpläne in ganz Deutschland seit Wochen Mitarbeiter streiken und auf die Straße gehen. 140 000 Mitarbeiter hat die Deutsche Post AG bundesweit, 32 000 von ihnen sind im Streik. In München sind es bei dem anschließenden Demonstrationszug zur Parteizentrale der CSU an der Nymphenburger Straße nach Gewerkschaftsangaben etwa 3000 Protestierende. Sie fordern gerechtere Löhne, vor allem mehr echte Wertschätzung für ihre Arbeit. Sie erheben unter anderem dagegen ihre Stimme, dass die Paketboten in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert werden sollen, weg vom Mutterkonzern. Eine Gesellschaft, von der sie vermuten, dass diese die ohnehin nicht üppig verdienenden Paketboten künftig noch schlechter bezahlen werde. "Ich verdiene 1500 Euro netto, nach sechs Jahren", sagt ein Mann in der gelb-roten DHL-Uniform. "Das ist nicht die Welt - aber wenn es noch weniger wird, geht es nicht mehr", klagt er. Und er fügt hinzu: "Arbeiten, um dann unter der Brücke zu wohnen, das kann es ja wohl nicht sein". Er selbst hat Frau und Kind, ein Kollege mit etwa demselben Verdienst ist dreifacher Vater. Für sie geht es um ihre Existenz.

Seit Monaten schon zieht sich der Tarifkonflikt zwischen Verdi und der Deutschen Post AG hin. Und lange standen diese Auseinandersetzungen im Schatten anderer Tarifkonflikte: vor allem den nicht enden wollenden Streiks bei der Bahn, in Kinderkrippen und anderen sozialen Einrichtungen. Streiks, von denen die Öffentlichkeit stärker betroffen war als vom Streik bei der Post, bei der ein Brief ein, zwei Tage später im Briefkasten steckt. Die Briefpost hat für viele längst nicht mehr den Stellenwert wie einst, weil die elektronische Post wichtiger ist, das macht es für die Streikenden schwer, den nötigen öffentlichen Druck zu erzeugen. Und wer Pakete verschickt oder empfängt, ist längst nicht allein auf die DHL angewiesen.

Erst seit einer guten Woche ist es der Gewerkschaft Verdi besser gelungen, die Blicke auch auf den Post-Streik zu lenken. Geholfen hat ihr dabei ausgerechnet die Post selbst: Das Unternehmen ließ am Sonntag vor einer Woche Aushilfen anheuern, teilweise sogar aus dem Ausland herankarren, um liegen gebliebene Sendungen, in München angeblich 28 000, in einer Sonderschicht zustellen zu lassen. Auch befristet Beschäftigte wurden zu Hause angerufen, um Post auszufahren. Verdi sieht darin einen Verstoß gegen die Regeln zur Sonntagsarbeit. Auch im Briefzentrum an der Münchner Arnulfstraße hatten sich darum vor einer Woche Gewerkschaftsvertreter versammelt, um gegen die Sonntags-Zustellung zu protestieren.

Die Sonntagsöffnung machte der Demonstrationszug nun auch am Montag erneut zum Thema: und zwar an dessen Ziel, vor der Parteizentrale der CSU, wo Verdi eine Resolution überreichte. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte, dass er das Anliegen der Arbeitnehmer "sehr ernst" nehme. Er sehe allerdings nicht die Stunde von Politik und Regierung, sondern der Tarifparteien. Mancher der Postler sieht das anders: "Der Staat ist zu einem Fünftel an der Post beteiligt, deshalb muss er auch mitreden", sagt eine Demonstrantin. Und damit ist sie nicht allein.

© SZ vom 30.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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