Strauß-Prozess immer kurioser:"Was soll der Unsinn?"

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Schmiergelder und Steuerhinterziehung: Die Verhandlung wächst sich zum Possenspiel aus. Nun tritt ein Zeuge auf, der Geldgeschenke ohne Gegenwert verteilt. Das sorgt für Gelächter - nur nicht bei Max Strauß.

Stefan Mayr

Es geht um Schmiergeld in Millionenhöhe, um Waffenexporte, Steuerhinterziehung und Untreue - eine überaus ernste Materie, mit der sich das Landgericht Augsburg seit Jahren befasst. Doch in dieser Woche wurde im Schwurgerichtssaal 101 viel gelacht. Auslöser des Gaudiums war der ehemalige Thyssen-Manager Winfried Haastert.

Der Zeuge erzählte, wie er vom Kauferinger Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber 1,2 Millionen D-Mark in bar erhielt. Demnach trafen sich die beiden Männer am 6. November 1991 im Fünf-Sterne-Grandhotel Savoy am Züricher Paradeplatz. Gegen 17 Uhr habe ihm Schreiber einen "großen Umschlag" übergeben.

"Lachreflex"

Dieses "Geldgeschenk" sei mit keinerlei Gegenleistungen oder Forderungen verbunden gewesen, beteuerte der 66 Jahre alte Haastert vor Gericht: "Es war kein Honorar für Nebentätigkeiten und kein Schmiergeld." Da musste so mancher Richter, Schöffe, Verteidiger und Staatsanwalt gegen den Lachreflex kämpfen.

Den einen gelang das besser, den anderen gar nicht - bis Haastert sagte: "Ich war schon überrascht, das kriegt man ja nicht alle Tage." Da brach allgemeines Gelächter aus. Die einzigen im Saal, die keine Miene verzogen, waren Haastert und der Angeklagte Max Strauß. Auch dem Leitenden Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz war einen Tag nach der "nicht glaubhaften" Aussage kaum noch zum Lachen zumute: "Was soll der Unsinn?", sagte Nemetz, der ein Ermittlungsverfahren gegen Haastert wegen falscher uneidlicher Aussage ankündigte. Nemetz: "Unser Verdacht ist, dass Haastert das Geld nicht aus heiterem Himmel bekommen hat, sondern aufgrund einer Provisionsabsprache."

Winfried Haastert ist neben dem ehemaligen Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls der zweite Beteiligte an dem Verkauf von Thyssen-Panzern nach Saudi-Arabien, der den Erhalt Schreiberscher Millionenbeträge einräumt. Das Gericht zeigte ihm den Eintrag aus Schneiders Kalender vom 18. August 1991. Hier waren unter den Kürzeln "Wi" und "Win" 1,2 Millionen vermerkt.

Die Tatsache, dass Haastert wenige Wochen später 1,2 Millionen Mark erhielt, legt den Schluss nahe, dass Schreibers kryptische Buchstaben- und Zahlenkombinationen tatsächlich eine Art Auszahlungsprotokoll darstellen. Unter dem Kürzel "MX" hatte Schreiber an diesem Tag "0,5" vermerkt. Die Staatsanwaltschaft geht deshalb davon aus, dass Max Strauß damals 500 000 Mark erhalten habe.

"Nach Gutsherrenart"

Die Verteidiger des Angeklagten vertreten ihrerseits die Auffassung, dass Haasterts Aussage ihren Mandanten entlaste. Ihnen zufolge hat Schreiber sein Geld "nach Gutsherrenart" verteilt, "ohne dass die Empfänger einen Anspruch gegen ihn gehabt hätten". Deshalb könne der Vorwurf, Strauß hätte Ansprüche gegen Schreiber bilanzieren und versteuern müssen, nicht auf Haasterts Aussage gestützt werden. Strauß, 47, ist angeklagt, von Schreiber Provisionen für Waffengeschäfte in Millionenhöhe erhalten und nicht versteuert zu haben. Der Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten bestreitet dies.

Haasterts ehemaliger Kollege aus dem Thyssen-Vorstand, Jürgen Maßmann, ist am Donnerstag zum zweiten Mal nicht als Zeuge erschienen. Der 63-Jährige, der wie Haastert wegen Steuerhinterziehung und Untreue rechtskräftig verurteilt ist, legte erneut ein ärztliches Attest aus Zuoz/Schweiz vor, wonach er wegen seiner Herzkrankheit nicht vernehmungsfähig sei. Das Gericht setzte für Ende Juni einen neuen Vernehmungstermin an.

Sollte Maßmann dann wieder nicht erscheinen, wäre denkbar, dass das Gericht durch einen Schweizer Amtsarzt die Verhandlungsfähigkeit des Zeugen prüfen lässt. Chefermittler Nemetz nahm das Attest jedenfalls mit Skepsis zur Kenntnis, er vermutet "eine Flucht vor der Zeugenaussage". Zu Gerüchten, wonach Maßmann sich nach Syrien, Lybien oder in ein anderes arabisches Land absetzen will, wollte Nemetz keine Stellung nehmen.

Am 23. Mai sollen Max Strauß' Geschwister Monika Hohlmeier und Franz Strauß vernommen werden. Es ist nicht auszuschließen, dass es bei dem Familientreffen Grund zum Lachen geben wird.

© SZ vom 11.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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