Strafprozess:Mandantengelder veruntreut

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Anwalt soll sich 360 000 Euro vom Kanzleikonto überwiesen haben

Von Christian Rost

Der Mann entstammt einem alten sächsischen Adelsgeschlecht und ist stolz darauf. Momentan hängt der Haussegen allerdings schief in der Sippe, weil der 68-jährige Rechtsanwalt den Familiennamen, nun ja, beschädigt hat. "Sehr unangenehm" sei es ihm, selbst als Angeklagter vor Gericht erscheinen zu müssen, sagt der Mann am Donnerstag vor der 3. Strafkammer am Landgericht München I. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Veruntreuung von Mandantengeldern vor: rund 360 000 Euro.

Der angeklagte Jurist aus dem Landkreis München ist ein äußerst höflicher Gesprächspartner für den Vorsitzenden Richter Anton Winkler. Beinahe etwas gespreizt nimmt der Anwalt Stellung zu den Vorwürfen, die er im Wesentlichen auch einräumt, die Hauptschuld an der Malaise aber anderen gibt: Seine Sekretärin habe seine Kanzlei organisiert und auch die Konten geführt, verteidigt sich der Angeklagte. Er selbst habe keinen Überblick über seine Konten gehabt, die teils gewaltig überzogen waren. Deshalb kann er sich auch nicht erklären, wieso Gelder, die für seine Mandanten bestimmt waren, zum Auffüllen seiner eigenen Konten verwendet wurden. Regelrecht unbeholfen im Umgang mit Geld stellt sich der Anwalt dar: "Wenn ich etwas brauchte, bin ich halt zum Bankautomaten gegangen." Und das sei gar nicht mal oft gewesen. Vielleicht 1000 Euro im Monat habe er für sich benötigt, wenn man von den monatlich 1200 Euro für einen Mietwagen, den er ständig nutzt, einmal absieht. Aus Sicht des Angeklagten ist es jedenfalls ein Rätsel, weshalb er dauernd in den Miesen war. Er habe schließlich Immobilienvermögen und durch den Verkauf eines "sehr romantischen" Hauses den Schaden seiner Mandanten wieder ausgleichen können.

Laut Anklage gingen auf dem Kanzleikonto des Mannes regelmäßig Gelder ein, die er in gerichtlichen Auseinandersetzungen, zum Beispiel mit Versicherungen, für seine Mandanten erstritten hat. Der größte Batzen war eine Überweisung von 320 000 Euro im November 2012. Es handelte sich um Geld aus einem Zwangsvollstreckungsverfahren. Davon wurden zunächst 10 000 Euro auf ein Privatkonto des Anwalts bei der Sparkasse überwiesen, das damals mit 10 123,34 Euro im Soll war. Und 280 000 Euro wurden auf sein privates Tagesgeldkonto transferiert. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sich der Angeklagte damit eine "Einnahmequelle von einigem Gewicht" verschaffen wollte.

Dass er für die Gelder seiner Mandanten verantwortlich ist, sieht der Jurist durchaus ein. Das Durcheinander habe aber seine Sekretärin verursacht, behauptet er. Die Frau, die nicht einmal eine Bankvollmacht für die Konten ihres Chefs hatte, sollte am Donnerstag ebenfalls auf der Anklagebank sitzen. Weil sie erkrankt ist, trennte die Kammer ihr Verfahren ab.

Für Richter Winkler steht nach der Aussage des Angeklagten zumindest fest, dass dieser nicht für eine korrekte Kanzleiführung gesorgt hat. "Wann haben Sie denn zum letzten Mal einen Kontoauszug gesehen?", fragt der Vorsitzende. "Gute Frage", gibt der Anwalt zurück. "Sie sind dazu verpflichtet, ihre Konten zu kontrollieren", meint der Richter. Der Angeklagte: "Das macht jetzt meine Frau." Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 19.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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