Stoiber-Dämmerung auf dem Nockherberg:"Weint nicht um mich, Landeskinder"

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Lob für den bösen Derblecker-Debütanten Django Asül. Das Singspiel aber schmeckt dieses Jahr etwas schal.

Wolfgang Görl

Es war starker Tobak. Vielleicht stärker, als mancher verträgt. Aber was Django Asül, der niederbayerische Türke aus Hengersberg, der versammelten Polit-Prominenz bei seinem Bußprediger-Debüt auf dem Nockherberg hinrieb, war großenteils Satire im besten Sinne des Wortes: aggressiv, witzig, polemisch. Dagegen war das Singspiel eine eher matte Angelegenheit.

Der Neue hat ordentlich ausgeteilt: Django Asül (Foto: Foto: dpa)

Das also ist der neue Bußprediger: ein kahlrasierter Mann mit Migrationshintergrund in schwarzer Montur, der, anders als sein Vorgänger Bruno Jonas, nicht mit dem Florett agiert, sondern mit dem Säbel - beinahe hätten wir geschrieben: mit dem Krummsäbel.

Einer, der die Kunst des Derbleckens im traditionellen Sinne pflegt, nämlich als dörflich-derbes Ritual des Abrechnens mit der Obrigkeit. Da dürfen schon mal Sätze fallen, die nahe an die Grenze des Geschmackvollen gehen.

Beispielsweise, wenn es um die flamboyante Persönlichkeit des CSU-Generalsekretärs Markus Söder geht, die Django Asül folgendermaßen charakterisiert: "Wie nah Sekret und Sekretär einander sind, zeigt die Schleimspur, die Söder hinterlässt."

Aus der Perspektive des Schöngeists betrachtet, ist das schon etwas deftig - so deftig wie der Salvator, dessen acht Prozent Alkohol nicht jeder verträgt. Und so tut sich auch Söder schwer mit dem bitteren Tropfen, den ihm der Bußprediger kredenzt. Selten hat man beim Salvator so ein gequältes Lächeln gesehen wie dasjenige, das Söder auf der Büßerbank zur Schau trägt.

Wehmut im Saal

Vergleichsweise glimpflich kommt vor den 600 Ehrengästen der Paulaner-Brauerei der scheidende Ministerpräsident Edmund Stoiber davon. Django Asül widmet ihm einen fast ins Sentimentale driftenden Nachruf: "Sie kamen als freiwilliger Politiker und gehen als unfreiwilliger Humorist. Sie sind längst Metaphysik. Sie sind entrückt aus Ihren Ämtern und doch noch da."

Für einen Moment weht so etwas wie Wehmut durch den Saal, eine Stimmung des Abschieds, die später noch gesteigert wird, als das formidable Stoiber-Double Michael Lerchenberg gegen Ende des Singspiels nach der Melodie "Don't cry for me, Argentina" eine Schlussapotheose zelebriert, die sich gewaschen hat: "Weint nicht um mich, Landeskinder. Ihr werdet es schwer bereuen. Es ist zu spät jetzt, spart euch die Tränen. Ich werde weg sein, ihr kriegt den Beckstein."

In diesem Augenblick scheint ein Engel durch den Paulaner-Saal zu schweben. Und wäre das die Schluss-Szene gewesen, dann hätten nicht wenige der Freibier-Honoratioren darüber hinweggesehen, was Singspiel-Autor Holger Paetz ansonsten zu bieten hatte.

Pardon, aber es muss jetzt heraus: Das Singspiel ist in diesem Jahr zu einem Sammelsurium oft uninspirierter Dialoge verkommen, denen die Regie (Eva Demmelhuber) die vormals so wunderbaren und komischen Musiknummern größtenteils geopfert hat.

Furiose Familienministerin

Da hatte man bewährte Parodisten wie Corinna Duhr als Angela Merkel, Norbert Hecker als Erwin Huber, Uli Bauer als Christian Ude sowie Neueinsteiger wie Helmut Schleich als Kurt Beck oder Andreas Borcherding als Günther Beckstein - aber keiner von ihnen hatte Gelegenheit, die Mucken und Macken des Originals zu entfalten, weil die Eigenheiten der Figuren im rastlosen Gequassel untergingen.

Da änderte auch Irina Wankas furioser Auftritt als Familienministerin von der Leyen nicht mehr viel ("Wenn ich lächle, schmelzen die Pole." Claudia Roth: "Ach, Sie sind das!").

Schwamm drüber, das kann passieren. Ohnehin lieferte die Wirklichkeit in den vergangenen Monaten die beste Satire. Und darüber hinaus gibt es ja noch Django Asül, der allen Befürchtungen zum Trotz die Salvator-Probe mit Bravour bestand.

Zwar hatte auch seine Rede einige Durchhänger, aber die seien verziehen angesichts großer Momente wie jenen, in dem er Erwin Huber aufs Korn nahm: "Sein Motto, das er vor drei Wochen in einem Interview verraten hat, ist: ,Luck is when opportunity meets preparation.' Auf deutsch: Habe keine Affäre, wenn grad Ämter zu vergeben sind." Da lachte auch Seehofer - wenngleich bemüht.

© SZ vom 9. März 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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