Stilles Begräbnis für Erni Singerl:Sag' zum Abschied leise Servus

Lesezeit: 2 min

Warum die Boulevardpresse es Erni Singerl nicht verzeiht, dass die Volksschauspielerin in aller Stille beigesetzt wurde.

Wolfgang Görl

Am Dienstag ist die große Schauspielerin Erni Singerl auf dem Ostfriedhof beerdigt worden, in aller Stille im engsten Kreis der Familie. Keine Fernsehkamera war zugegen, kein Prominenter bekundete seine Trauer medienwirksam am offenen Grab. So habe sie es gewollt, sagt ihre Tochter.

Seitdem veranstaltet die Boulevardpresse eine clever inszenierte Empörungsorgie, in deren Mittelpunkt der Vorwurf steht, Erni Singerl sei "still und heimlich verscharrt" (Bild) worden, so "wie man nicht einmal einen Hund" (tz) unter die Erde bringen würde.

Und selbstverständlich, man ist ja Profi, findet sich immer ein Halbprominenter oder, wenn nicht mal der hergeht, wenigstens der kleine Mann auf der Straße, der umgehend bestätigt, wie würdelos, wenn nicht gar unverschämt es sei, so ein Begräbnis ohne öffentliches Ballyhoo zu zelebrieren.

Medienwirksam in die Grube

In der tz fehlt auch nicht der feinsinnige Hinweis auf den letzten Weg Rudolph Moshammers, der offenbar als immerwährendes Muster für die Pompes funèbres der Münchner Society zu gelten hat.

Die Moshammer-Beerdigung. Die hatte Stil, was? So fährt man nach den unantastbaren Gesetzen der Medienbranche angemessen in die Grube.

Richtig würdevoll ist eine Totenfeier ja erst, wenn sich Kameraleute und Fotografen schon Stunden vor Beginn am Mausoleum um die besten Plätze zanken; wenn über dem Friedhof der Polizeihubschrauber rattert und der Hund des Verstorbenen wie eine Monstranz dem Trauerzug vorangetragen wird; wenn abgehalfterte Schlagerstars, die allenfalls auf Firmenjubiläen in der Provinz eine Attraktion sind, ihre Nasen in jede Kamera halten oder Damen ihre Untröstlichkeit dergestalt zur Schau tragen, dass sie sich aufmascheln wie zum Karneval in Venedig.

Bei Moshammer, der sich um der eigenen Vermarktung willen selbst zur Kunstfigur gemacht hat, mag das passend gewesen sein. Aber ist es wirklich so unvorstellbar, dass Erni Singerl etwas anderes wollte? Dass sie nach einer stillen Feier verlangte, ohne Beteiligung einer Journaille, die noch am Sterbebett Exklusivinterviews beansprucht?

Applaus zu Lebzeiten

Es liegt uns fern zu behaupten, Erni Singerl gut gekannt zu haben. Aber dort, wo wir ihr begegneten, stach sie schon deshalb hervor, weil sie anders als Promi-Frisöre, Zahnarzt-Gattinnen und Versandkatalog-Models kein Aufhebens um ihre Person machte. Das hatte sie nicht nötig.

Sie sprach ein feines, fast vornehmes Münchnerisch - ein Ton, den kaum noch einer beherrscht, am allerwenigsten die Selbstdarsteller der Bussi-Gesellschaft mit ihrem auftrumpfenden Mode-Bairisch.

Einmal, sechs Jahre ist das her, erzählte sie uns, dass sie als junge Frau gern Rock'n'Roll getanzt hat und dass sie es jetzt gerade wieder tut, auf der Bühne der Kleinen Komödie. Dabei kicherte sie wie ein Backfisch, der eine kleine Sünde gesteht: Herrje, jetzt hab' ich zu viel verraten, oder?

So jemand braucht keine große Bühne zum Abschied; braucht keine Trauergäste, die nach den Kameras schielen. So jemand geht auf leisen Sohlen. Den Applaus, den sie verdiente, hatte Erni Singerl zu Lebzeiten.

© SZ vom 6.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: