Zivilklage:Zweifel an der Arbeit der Polizei

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Gericht befasst sich erneut mit dem Tod von Ursula Herrmann

Es ist einer der ganz großen Kriminalfälle in der Geschichte der Bundesrepublik, die Entführung und der Tod der zehnjährigen Ursula Herrmann in einem Wald zwischen Schondorf und Eching am Ammersee. Seit 36 Jahren gibt es viele Spekulationen um das Gewaltverbrechen, die auch nicht verstummten, als 2010 in Augsburg ein Mann zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Viele Zweifel blieben. Am Donnerstag wurden die Ermittlungen zu dem Fall nun wieder vor einer Zivilkammer des Augsburger Landgerichts untersucht. Dabei wurde es mitunter auch turbulent im Gerichtssaal.

Ursula Herrmann war im Herbst 1981 entführt und in einer Kiste im Wald vergraben worden. Die Schülerin erstickte. Ihr Bruder Michael hat den seit neun Jahren im Gefängnis sitzenden Kidnapper, der stets seine Unschuld beteuert hat, auf Schmerzensgeld verklagt. Der Verteidiger des rechtskräftig verurteilten Entführers hofft darauf, in dem Verfahren Hinweise auf Fehler in dem Strafprozess sammeln zu können. Anwalt Walter Rubach möchte einen Wiederaufnahmeantrag stellen und nutzte die neue Verhandlung entsprechend für detaillierte Nachfragen zur damaligen Arbeit der Sonderkommission in Fürstenfeldbruck.

Einen der ehemaligen Soko-Ermittler befragte Rubach sehr intensiv zu den Ermittlungen und versuchte, den Zeugen in die Enge zu treiben. Doch der inzwischen pensionierte Polizist ließ sich nicht provozieren und verwies darauf, dass er sich nach der langen Zeit nicht mehr an alles erinnern könne. "Zur Wahrheitspflicht gehört auch die Pflicht, sich zu erinnern", kritisierte Rubach. "Wissen sie immer alles?", konterte der 70 Jahre alte Ruheständler. Bei der Befragung des Beamten ging es darum, dass ein damals verdächtiger Mann zunächst zugegeben hatte, für den inzwischen Verurteilten im Wald ein Loch gegraben zu haben. Dann habe der Beschuldigte das Geständnis widerrufen. Er habe den Widerruf als Schutzbehauptung eingestuft, sagte der frühere Polizist. Bis heute gibt es Zweifel daran, dass es nur einen Täter gab. Auch mit dem Vorsitzenden Richter Harald Meyer lieferte sich Rubach Wortgefechte. Meyer waren die Fragen des Anwalts mehrfach zu ausufernd. Der Kammervorsitzende will sein Verfahren von den Beteiligten nicht zu einem neuen Strafprozess umfunktionieren lassen.

Die Zivilklage liegt schon seit mehr als zwei Jahren bei Gericht. Ursulas Bruder, ein Musiklehrer, verlangt vom Kidnapper 20 000 Euro Schmerzensgeld, weil er seit dem Strafprozess an Tinnitus leide. Das Gericht hatte sich bei den bisherigen Sitzungen bereits mit Details der Klage befasst, allerdings nicht mit dem Verbrechen selbst. Am 23. November will die Kammer nun einen weiteren Polizisten zu den Ermittlungen vernehmen.

Rubach würde auch gerne ein neues Gutachten zu einem Tonbandgerät haben, das bei den Erpresseranrufen abgespielt worden sein soll. Das Tonband-Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamtes war eines der Hauptindizien gegen Rubachs Mandanten, der erst 2008 in Schleswig-Holstein aufgrund neuer Ermittlungen festgenommen wurde. Rubach hatte das Gutachten schon 2009 angezweifelt. Ob das Zivilgericht nun einen neuen Sachverständigen beauftragt, bleibt abzuwarten.

© SZ vom 14.09.2017 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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