Wohnen im Fünfseenland:Zwei Gemeinden, ein Ziel

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Um Wohnraum für Normalverdiener zu schaffen, haben Utting und Schondorf große Flächen in ihren Zentren gekauft. Bei der Verwertung der künftigen Häuser und Wohnungen gehen die beiden Nachbarkommunen unterschiedlich vor

Von Armin Greune, Utting/Schondorf

Die Parallelen sind verblüffend: In den beiden Nachbarorten Utting und Schondorf am Ammersee nehmen die Kommunen jeweils mehr als 4 Millionen Euro in die Hand, um brachliegende Grundstücke im Zentrum zu erwerben. Damit sollen in Zeiten explodierender Immobilienpreise jeweils etwa achtzig Wohneinheiten geschaffen werden, von denen wenigstens ein Teil für Normalverdiener erschwinglich sind. Doch bei der Verwertung ihrer Grundstücke gehen die Gemeinden unterschiedliche Wege: Während Utting selbst Bauherr ist und die Wohnungen preiswert vermieten will, hat Schondorf sein Grundstück an einen Investor verkauft - mit der Auflage, dass 30 Prozent der Geschossflächen zu "günstigen Preisen" weitergegeben werden.

Vergangene Woche hat Schondorfs Bürgermeister Alexander Herrmann die Verträge mit der Wüstenrot Haus- und Städtebau GmbH unterzeichnet, über Konditionen und Kaufpreis wird vorerst Stillschweigen bewahrt. Er liegt aber über dem Betrag, den Schondorf für das sogenannte "Prix-Gelände" und die Beseitigung der Altlasten darauf aufgewendet hat. 2011 hatte die Kommune den ersten Teil des Industrieareals zwischen Schulstraße und Bahnlinie erworben, das von der Baufirma Coprix bis zu deren Konkurs genutzt worden war. Dort werden inzwischen die neue Dreifachturnhalle und ein Mensa- und Unterrichtsgebäude für die Realschule errichtet, deren Erweiterung und Modernisierung sich der Landkreis Landsberg 20 Millionen Euro kosten lässt. 2013 kaufte die Kommune die übrige Fläche im Norden des Grundstücks hinzu.

Noch im gleichen Jahr wurde ein Bebauungsplan für das künftige Wohngebiet aufgestellt, über dessen Details der Gemeinderat jahrelang rang - am Ende legte man sich auf 19 Reihenhäuser und zwei je dreigeschossige Blocks mit 53 und 12 Wohneinheiten fest. Das Konzept, das entlang der Bahn einen lang gestreckten Baukörper - den sogenannten "Aal" - vorsieht, hat der Architekt Heiko von Meier mit der Gemeinde entwickelt. Es ist auch Grundlage für den Entwurf des Münchner Architekturbüro Knoop & Rödl, mit dem Wüstenrot nun den Investorenwettbewerb gewann.

Mittlerweile ist auch der Siedlungsdruck am Ammersee gewachsen, was zu stetig steigenden Immobilienpreisen führt - für Durchschnittsverdiener ein Problem. (Foto: Imago)

Dieses Vorgehen hatte der damals neue Bürgermeister Herrmann (Grüne) erstmals im Frühjahr 2015 angeregt, da er die hoch verschuldete Gemeinde mit einer Bauinvestition von rund 40 Millionen Euro überfordert sah. 2017 Jahr kamen aber doch Überlegungen im Gemeinderat auf, wie man dem Beispiel Uttings folgen und vom Kommunalen Wohnbauförderungsprogramm des Freistaats profitieren könne. Doch letztlich wurde beschlossen, das Vorhaben einem Investor zu übertragen und über einen städtebaulichen Vertrag sicher zu stellen, dass 30 Prozent des Wohnraums zu moderaten Preisen "an die ortsverbundene Bevölkerung mit besonderem Bedarf" verkauft werden. Auf die Ausschreibung des Wettbewerbs meldeten sich zunächst 14 Interessenten, aus elf Angeboten wählte der Gemeinderat dann vier Bewerber aus.

Im März wurde bekannt, dass Wüstenrot den Zuschlag erhalten hat: Die Firma erwarb nun 14 700 Quadratmeter des Grundstücks, von denen abzüglich der Erschließungsflächen 11 600 Quadratmeter weiterverkauft werden können. Geplant sind noch 16 Reihenhäuser sowie 59 Zwei- bis Vierzimmerwohnungen, von denen 44 im "Aal" untergebracht sind. Ein Teil der Wohnungen und einige Reihenmittelhäuser sollen zu ermäßigten Preisen an Schondorfer mit mittlerem Einkommen verkauft oder vermietet werden. "Uns geht es nicht darum, weitere Sozialwohnungen zu bauen", sagt Herrmann, denn die Gemeinde habe davon bereits fast 60 zur Verfügung.

Auch Utting besitzt seit langem sechs kürzlich sanierte Gemeindehäuser mit 54 Wohnungen, für die Mietpreise von drei bis 6 sechs Euro pro Quadratmeter verlangt werden. Den Gemeinderäten ist wichtig, Normalverdiener im Ort zu halten: Angesichts der exorbitanten Immobilienpreise befürchten sie eine "Gentrifizierung" - also die Verdrängung einkommensschwächerer Haushalte durch reiche Neubürger. Dadurch verändert sich auch das soziale Leben im Dorf: Junge Familien müssen wegziehen, Feuerwehr und andere örtliche Vereine verlieren aufgrund der Überalterung Bürger, die sich ehrenamtlich engagieren.

So sehen die Pläne für die neuen Wohngebiete in den beiden Nachbarorten aus. Die Zeichnung zeigt die Bebauung des Prix-Geländes in Schondorf. (Foto: Wüstenrot)

Als in Utting 2012 Maschinenhalle und Tenne eines Bauernhofs an der Schondorfer Straße abbrannte, weckte eine große innerörtliche Grünfläche dahinter das Interesse von Spekulanten. Um eine Zersiedlung des Quartiers zwischen Landsberger, Schondorfer und Hechenwanger Straße durch private Bauwerber zu verhindern, erließ die Gemeinde eine Vorkaufsrechtssatzung für das "Schmucker-Areal" mit dem Ziel, Wohnraum für Normalverdiener zu schaffen. Als die 20 Erben einen Käufer gefunden hatten, erwarb die Gemeinde im Sommer 2016 das gesamte Immobilienpaket mit einer Fläche von rund 20 Hektar. Ein Großteil davon sind seit Jahrzehnten brachliegende Wiesen, 1860 Quadratmeter Baugrund wurden verkauft, um mit dem Erlös einen Teil der Baukosten des künftigen Wohngebiets zu decken.

Der Gemeinderat entschied sich dafür, dass Utting selbst als Bauherr auftritt. Denn das bayerische Wohnraumförderungsprogramm steuert 30 Prozent der Bau- und Grundstückskosten bei, wobei der Flächenerwerb zum Marktwert angerechnet wird - nicht zum wesentlich niedrigeren, tatsächlichen Preis. Weitere 60 Prozent der Investition sind mit zinsgünstigen Darlehen gedeckt. Dennoch muss Utting damit rechnen, dass der Schuldenberg bis 2021 auf 18,8 Millionen Euro anwächst. Die Gemeinde lobte einen nicht offenen Realisierungswettbewerb für einen Geschosswohnungsbau mit mindestens 80 Ein- bis Fünfzimmerwohnungen aus, für den 14 Beiträge eingingen.

Zur finanziellen Belastung der Gemeinde trägt zudem bei, dass für die Abwicklung der Bauarbeiten und die Verwaltung der Wohnhäuser zusätzliches Personal eingestellt werden muss. Kürzlich beschloss der Rat einstimmig, dazu ein Kommunalunternehmen zu gründen, für das ein Geschäftsführer in Vollzeit und eine 450 Euro-Kraft gesucht werden. Alleiniger Anteilseigner ist die Gemeinde, ihr Rat bestellt einen Verwaltungsrat, der den Vorstand überwacht. Abgesehen davon, dass im personell knapp besetzten Rathaus die Kapazitäten zur Betreuung eines 20-Millionen-Euro-Projekts fehlen, hat ein Kommunalunternehmen Vorteile beim Steuer- und Vergaberecht. Bis zu einem Auftragsvolumen von 5,5 Millionen Euro kann es direkt mit den Baufirmen verhandeln: "Wir müssen also nur die Baumeisterarbeiten europaweit ausschreiben, für die einzelnen Gewerke hat ein Kommunalunternehmen mehr Spielraum und darf auch nachverhandeln", erklärt Bürgermeister Josef Lutzenberger. Und weil man nicht an den kommunalen Haushalt gebunden ist, können Investitionen rasch umgesetzt werden, die zeitnahe Auftragsvergabe sichert günstigere Preise. In Utting wird nun die Satzung für das Unternehmen ausgearbeitet, Anfang 2019 soll es die Arbeit aufnehmen.

Es gibt in Schondorf nicht wenige Bürger, die sich mehr günstige Mietwohnungen im Ort gewünscht hätten und nun ein bisschen neidisch auf die Entwicklung in Utting schielen. Andere sind vom Entwurf der Münchner Architekten "wwa Wöhr Heugenhauser" für das Schmucker-Gelände beeindruckt, der mehr Aufenthaltsqualität verspricht, als beim "Wüstenrot"-Projekt erwartet wird. Doch Alexander Herrmann verteidigt das Vorgehen seiner Gemeinde: Die vertragliche Absicherung, mit einem Investor auch Wohnraum für Einheimische bereitzustellen, werde von vielen anderen Kommunen aufmerksam beobachtet: "Man spricht schon von einem Schondorfer Modell". Die Gemeinde will nun die Zuschüsse des Wohnbauförderungsprogramms anders ausnützen: Eventuell soll damit ein gemeindeeigenes Mehrfamilienhaus modernisiert werden. Oder es ließe sich ein multifunktioneller Neubau errichten, in dem etwa ein zweigruppiger Kinderhort, ein Bürgersaal und Mietwohnungen untergebracht sind.

Die Alternativen sollen im Rahmen des Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepts geprüft werde, dass Schondorf gerade gemeinsam mit Utting und Greifenberg erstellen lässt. Eines der Hauptziele darin ist, die Zentren der Orte zu stärken. Auch in Hinsicht auf ihre weitere Entwicklung stehen die beiden Nachbarn am Ammersee vor dem gleichen Problem: Mit den neuen Siedlungen wird die Einwohnerzahl von Utting und Schondorf jeweils um etwa fünf Prozent wachsen.

© SZ vom 02.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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