Umzug:Leiser Abschied vom Villino

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Der Literaturwissenschaftler Dirk Heißerer muss die Exponate, die an Thomas Mann erinnern, ausräumen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Bis Ende September muss der Thomas-Mann-Kenner Dirk Heißerer das Gebäude in Feldafing räumen

Von Sabine bader, Klaus Schieder, Feldafing/Bad Tölz

Dirk Heißerer ist schwer am Räumen. Bis Ende September muss er das "Villino" auf dem ehemaligen Kasernengelände in Feldafing verlassen haben. Denn die Verantwortlichen der Benedictus-Krankenhäuser, die jetzt die neuen Grundstückseigentümer sind, hatten dem Literaturwissenschaftler und Thomas-Mann-Kenner im Juni überraschend gekündigt. Dieser hatte das Kleinod, in dem Thomas Mann zwischen den Jahren 1919 und 1923 gearbeitet und Passagen seines Werks "Zauberberg" verfasst hat, 1994 auf dem Kasernen-Areal wiederentdeckt. Er hat das heute denkmalgeschützte Gebäude eingerichtet und darin Führungen sowie Lesungen veranstaltet.

Die Möbel hat Heißerer inzwischen untergebracht: Die elf Vitrinen kommen ebenso ins Ortsmuseum in Tutzing wie der Nachbau des Schreibtisches von Thomas Mann, der bislang im Villino stand. Die meisten bekommt die Stadt Bad Tölz, die damit von der Schließung des Villino profitiert. Denn die Tölzer können in ihrer Stadtbücherei ein Thomas-Mann-Zimmer mit Requisiten aus dem 2001 entstandenen Film "Die Manns - Ein Jahrhundertroman" einrichten. "Mit diesem neuen Raum in unserer Bibliothek haben wir einen besonderen Literaturort zum Anfassen", freut sich Bücherei-Chefin Melanie Sappl. Zu der Schenkung für die Tölzer zählt außer den Möbeln aus Feldafing auch die sogenannten Villino-Bibliothek: Sie besteht aus etwa 2500 Büchern und ist eine umfangreiche Sammlung von Primär- und Sekundärliteratur, die die im Jahr 2000 verstorbene Expertin Anita Naef über Thomas Mann zusammengetragen hat.

"Es wird nichts mehr von allem nach Feldafing zurückkehren, so viel ist sicher", resümiert Heißerer. Er ist froh darüber, dass die Tölzer Interesse am Interieur des Villino bekundet haben. "In Tölz hat man mich mit offenen Armen empfangen", sagt er. Dort will Heißerer auch seine Zauberberg-Gespräche mit Literaturinteressierten fortsetzen. Trotz aller Probleme um Kündigung und Auszug aus dem Villino will der Literaturwissenschaftler dem Fünfseenland und seinen Bürgern nicht ganz den Rücken kehren. Im November und Dezember wird er in der Volkshochschule Zauberberg-Gespräche anbieten.

Simon Machnik, Geschäftsführer der Benedictus-Krankenhäuser Feldafing, bleibt dabei, dass auch nach der Renovierung des Villino mindestens ein Raum im Haus an Thomas Mann erinnern soll. Besucher und Patienten der Klinik, so sichert er zu, werden das Gebäude auch weiterhin besuchen können. Das Krankenhaus hatte im Juni in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass das Villino künftig Sitz der Artemed-Stiftung sein wird.

Jetzt soll der denkmalgeschützte Bau laut Machnik saniert und sein Keller trockengelegt werden. Nach der Eröffnung der neuen Klinik, die für die erste Hälfte des nächsten Jahres geplant ist, sollen laut Machnik die Renovierungsarbeiten beendet sein.

Heißerers letzte Besucher werden übrigens aller Voraussicht nach aus Japan kommen. "Sie wollen das Villino unbedingt noch einmal sehen", sagt er. Auch wenn es im Gebäude nicht mehr viel zu bewundern gibt. Die ursprünglich für das Wochenende, 22. und 23. September, geplante Abschlussparty wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr geben. "Denn ich übergebe das Haus wohl schon Mitte September", sagt Heißerer zur Erklärung. Es wird also ein leiser Abschied werden.

© SZ vom 25.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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