Umweltschutz in Starnberg:Tabuzonen für Tourengeher

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Der Bund Naturschutz fordert für die Hausberge der Starnberger Wildschutzgebiete mit Betretungsverbot. Bisher gibt es nur freiwillige Empfehlungen

Von Benjamin Engel

Wer auf Skioder Schneeschuhtour geht, mag sein Hobby als besonders umweltfreundlich empfinden - und kann doch viel falsch machen. Freizeitsportler brauchen zwar keine Lifte und energiebelastende künstliche Beschneiungsanlagen für die Pisten, wenn sie im freien Gelände hunderte Höhenmeter zu Fuß auf den Berg stapfen. Im Pulverschneerausch sollte aber niemand blindlings jeder Spur im Hang folgen - nicht allein wegen der möglichen Lawinengefahr, sondern auch, um die Tiere in der sensiblen Gebirgsnatur zu schonen. Um die nahrungsarmen Winter zu überstehen, brauchen Wild und insbesondere die vom Aussterben bedrohten Raufußhühner Rückzugsgebiete, in denen sie ungestört bleiben.

Dafür setzt der Deutsche Alpenverein (DAV) bislang zumeist darauf, dass die Freizeitsportler freiwillig Rücksicht nehmen. Die im Projekt "Skibergsteigen umweltfreundlich" und der Kampagne "Natürlich auf Tour" ausgewiesenen Wald-Wild-Schongebiete haben nur Empfehlungscharakter. Das heißt, Verstöße sind dort rechtlich nicht zu ahnden. Amtlich ausgewiesene Wildschutzgebiete mit absolutem Betretungsverbot wie im Nachbarlandkreis Miesbach existieren rund um den Isarwinkel derzeit nicht.

Doch der Freizeitdruck und damit die Belastungen für die Natur sind im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ebenso gestiegen. Aus Sicht von Friedl Krönauer müsste das Landratsamt unbedingt tätig werden. "Wildschutzgebiete sind überall notwendig", sagt der Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz (BN). Die DAV-Kampagne "Natürlich auf Tour" sei zwar gut gemeint. Nur mit freiwilligen Empfehlungen, sensible Bereiche zu meiden, sei der Problematik aber nicht beizukommen. "Der Druck auf die Natur ist so immens", sagt Krönauer. Das Gros der Freizeitsportler verhalte sich zwar verantwortungsbewusst. Doch für die übrigen, uneinsichtigen oder wenig informierten paar Prozent brauche es rechtsverbindliche Handlungsinstrumente. Jeder müsse sich einer Strafverfolgung bewusst sein, wenn er in Schutzgebieten unterwegs sei. "Es muss Gebiete geben, die einfach tabu sind."

In Ost-West-Kammlagen haben etwa die auf der Roten Liste stehenden und damit vom Aussterben bedrohten Raufußhühner ihre bevorzugten Lebensräume. Besonders kritisch sieht Krönauer etwa die Nordosthänge am Herzogstand oder bestimmte Areale im Gebiet um Seekarkreuz und Schönberg. Nur Verbote auszusprechen, ist für den BN-Kreisvorsitzenden aber zu wenig. "Wir müssen dann auch Alternativrouten ausweisen", sagt er. Es brauche mehr Informationstafeln, Ranger und Gebietsbetreuer, um für den gefährdeten Lebensraum der Tiere um Verständnis zu werben.

Zumindest insofern hat der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen erste wichtige Schritte eingeleitet. Im Zuständigkeitsbereich gelten an zwölf Wildfütterungen seit dem vorigen Winter Betretungsverbote, weil der Besucheransturm zu groß geworden ist. Im Gebiet des Seekarkreuzes und des Schönbergs sollen Schilder seitdem Skibergsteiger und Schneeschuhwanderer an den Einstandsgebieten der Raufußhühner vorbeilotsen. Zudem sind im vergangenen Herbst zwei neue Gebietsbetreuerinnen für die Alpengebiete im Landkreis tätig geworden. Beide teilen sich eine dafür neu geschaffene Stelle. Der Freistaat fördert das in fünf Landkreisen am Alpenrand angelaufene Modellprojekt mit insgesamt einer Million Euro. "An den bekannten ,Hot-Spots' wird es schon in diesem Winter Infostände und Aufklärungsarbeit geben", erklärt Michael Heigl, Social-Media-Manager der Kreisbehörde, auf Nachfrage. "Wir denken auch an eine systematische Besucherzählung als Grundlage für künftige Konzepte."

Auf dieser Basis will das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen erforderliche Maßnahmen erarbeiten. Heigl betont, dass sich die Behörde damit durchaus in einem Spannungsverhältnis bewege. Einerseits gewähre die bayerische Verfassung das allgemeine Betretungsrecht der Natur. "Das ist ein hohes Gut." Andererseits sei das Landratsamt für die seltenen und gefährdeten Tierarten mit immer knapper werdenden Lebensräumen verantwortlich. Eine Lösung müsse beide Seiten berücksichtigen. "Wir schließen die Ausweisungen von Wildschutzgebieten natürlich nicht von vornherein aus", so Heigl.

Soweit sollte es aus Sicht des Alpenvereines am besten gar nicht kommen müssen. Um die 500 umweltverträgliche Routen und Varianten hat die Organisation unter dem Signum "Natürlich auf Tour" im bayerischen Alpenraum ausgewiesen. Inzwischen werben auch einige Verlage in ihren Skitourenführern damit. Darunter sind auch beliebte Touren in der Region wie auf den Herzogstand, den Simetsberg, Schönberg und Seekarkreuz oder den Schafreuter an der bayerisch-tirolerischen Grenze im Vorkarwendel. Über das DAV-Tourenportal alpenvereinaktiv.com sind entsprechende Routen abrufbar und auch Wald-Wild-Schongebiete verzeichnet. An besonders frequentierten Bergen stehen Informationstafeln. An neuralgischen Stellen weist der DAV auch mit Stoppschildern auf Wald- und Schutzgebiete hin und kennzeichnet mit grünen Schildern empfohlene Routen. "Wir versuchen, das Positive darzustellen", sagt Manfred Scheuermann, der im DAV für die Kampagne "Natürlich auf Tour" verantwortlich ist. Im Hochwinter sollte aber jeder zum Schutz insbesondere der Raufußhühner wie Auer- und Birkhahn seiner Aussage nach vor 10 Uhr morgens und nach 16 Uhr abends Kamm- und Gipfellagen zwischen 1500 und 2000 Höhenmetern meiden. Frühmorgens wechselten die Tiere aus ihren nordseitigen Wohnhöhlen zum Fressen in südseitiges Gelände. In dieser Zeit sei ihr Hauptfeind, der Steinadler, am wenigsten aktiv. Daher sollten die Raufußhühner nicht gestört werden, so Scheuermann.

Viele Tourengeher meiden allerdings das freie Gelände, bewegen sich lieber im Nahbereich von Skigebieten, so wie etwa am Lenggrieser Hausberg Brauneck, und fahren auf den Pisten wieder ins Tal. Dort hat der DAV eine Aufstiegsroute ausgewiesen. An Tourengeher, die so unterwegs sind, appelliert Scheuermann aber auch, eventuell fällige Gebühren für Parkplätze zu bezahlen. "Jeder muss sich im Klaren sein, dass er auch die Infrastruktur nutzt." Schließlich koste es die Liftbetreiber Geld, die Pisten zu präparieren oder Toiletten aufzusperren. Ein solches Zeichen zu setzen, werde in der Region gern gesehen.

© SZ vom 27.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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